Wenn wir uns fragen, warum Spielen so wichtig für die Entwicklung der Kinder ist und was in Tausenden von Spielformen, die den Menschen im Lauf seiner Entwicklungsgeschichte begleitet haben, steckt, stoßen wir auf folgende Erkenntnis: Nur wer spielfähig ist, ist auch gesellschaftsfähig. Gesellschaftsfähig ist, wer gegenwarts-, rollen- und regelfähig ist. All diese Eigenschaften erwerben wir uns im Spiel – nicht nur im Kindesalter, sondern ein ganzes Leben lang.

 

Was brauchen wir zum Spielen?

  • Spiel-Raum (Platz und Ort zum Spielen)
  • Spiel-Zeit (freie Zeit zum Spielen)
  • Spiel-Zeug (Material oder Hilfsmittel)
  • Spiel-Partner (jemanden, der mit uns spielt)
  • Spiel-Anstöße (Tipps, Anleitung, Ansporn und Ermunterung)

 

Grunde für das Angebot von Spielen in einer Bibliothek oder Spielothek (Ludothek) gibt es viele: Zum Beispiel sollten die Kinder die Gelegenheit haben, sich mit guten und oft auch teuren Spielen zu beschäftigen. Spiele in Bibliotheken bieten zudem die Möglichkeit, sie vor dem Kauf zu testen, um so Fehlkaufe zu vermeiden. Bibliotheken mit Spielen und Spielebüchern (z. B. zu Kinderfesten, Spielpädagogik) sind außerdem eine wahre Fundgrube für die Arbeit mit Kindern.

 

Welche Arten von Spielen gibt es?

Das größte Angebot besteht sicher aus Brett- und Tischspielen, dazu kommen Kartenspiele. Es gibt aber noch viel mehr Möglichkeiten als die sogenannten Outdoor-Spiele, Groß- und Bewegungsspiele. Für Kinderfeste bieten sich Spielsammlungen in Form von Spielkisten an.

 

In den letzten Jahren überschwemmten PC- und Konsolenspiele den Spielemarkt und bedeuteten eine große Konkurrenz für Brettspiele. Inzwischen hat sich der Reiz des Neuen wieder etwas gelegt.

 

Am meisten entliehen werden wohl Spiele für 4–8-jährige Kinder. Obwohl die Auswahl an hervorragenden Spielen für ältere SpielerInnen ebenfalls überwältigend ist, ist die Nachfrage bei Weitem nicht mehr so groß. Trotzdem sollte jede Altersstufe abgedeckt sein – es gibt Gruppen, die viel spielen, und auch für Partys werden immer wieder gerne Spiele entlehnt.

 

Gibt es einen Grundbestand an Spielen?

Es ist fast unmöglich, einzelne Spiele für einen Grundbestand anzuführen, da sich die Auswahl in jeder Bibliothek/Spielothek unterscheiden wird. Mit der Zeit kristallisiert sich heraus, welche Spiele erfolgreich sind. An und für sich sollten Neuerscheinungen bzw. Neuauflagen angeschafft werden.

 

Der Anteil an Spielen am Gesamtbestand ergibt sich aus den Daten der Sozialraumanalyse (je weiter das nächste Spielgeschäft oder die nächste Spielothek entfernt ist, desto größer kann das eigene Angebot sein). Mindestens 5 Prozent der Medien können ohne Weiteres traditionelle Spiele sein.

 

Wo kann man sich über Spiele informieren?

Es gibt einige Fachzeitschriften wie „Frisch gespielt“ „WIN – das Spielejournal“ oder „Spielerei“. Spielebeschreibungen und Spielekritiken findet man z. B. in der Spieldatenbank Ludorium oder im Spielemagazin H@LL9000 sowie auf den Websites der einzelnen Spieleverlage.

 

Videos vermitteln den Ablauf des Spiels (YouTube oder Vimeo). Diese Informationen sind vor allem bei der Vorauswahl behilflich, da sehr oft in der Spieleschachtel nicht das drin ist, was der Titel verspricht.

 

Hilfreich bei der Bewertung sind auch folgende Punkte: Ist das Spiel optisch ansprechend? Sind die Spielmaterialien stabil und gut verarbeitet? Kann man einzelne Spielteile nachbestellen? Ist die Spielanleitung informativ und verständlich? Wie spannend ist das Spiel? Bietet das Spiel etwas wirklich Neues? Natürlich können auch die VerkäuferInnen im Spielefachhandel beraten! Erfahrungsaustausch mit KollegInnen aus anderen Bibliotheken/Spielotheken ist ebenfalls sehr hilfreich.

 

Wie werden Spiele verwaltet?

Spielschachteln sind besser geschützt und können besser gereinigt werden, wenn sie foliert sind. Wer Einbandmaterial sparen mochte, sollte bei Schachtelboden und -deckel zumindest die Ecken mit Folien verstärken. Wichtig ist, dass die Inhaltsangabe entweder im Schachteldeckel angebracht ist (und bei Bedarf auch korrigiert wird!) oder der Inhalt aus der Spielanleitung ersichtlich ist, damit die Spielteile überprüft werden können. Bibliothekssoftwareprogramme bieten bei der Einarbeitung auch die Möglichkeit zur Eingabe von Schlagworten, die bei der Beratung und Suche sehr hilfreich sind.

 

Spiele verlieren im Gegensatz zu elektronischen Spielen nicht so schnell an Aktualität und Beliebtheit und können deshalb lange im Bestand bleiben. Trotzdem ist es empfehlenswert, nicht so erfolgreiche Spiele bzw. Spiele in schlechtem Zustand auszusortieren. Ein guter Spielhändler ist sicherlich gerne bereit, sich um verlorene Spielteile zu kümmern. Man kann Ersatzteile auch direkt bei vielen Spieleverlagen anfordern. Die meisten Verlage bieten inzwischen auch auf ihren Websites Spielanleitungen zum Downloaden an.

 

Wie werden Spiele präsentiert?

Spiele werden, wie die anderen Medien auch, in Regalen verräumt. Von Vorteil ist es, wenn nicht zu viele Schachteln übereinander gestapelt werden müssen, damit der Zugriff mühelos erfolgen kann. Spiele für jüngere Kinder sollten in den unteren Fächern eingeordnet sein. Die Altersangaben befinden sich meistens auf den Spielschachteln. Allerdings wird die Einstufung von den Verlagen recht unterschiedlich eingeschätzt.

 

Wer Großspiele und Outdoor-Spiele führt, soll darauf achten, dass sie entsprechend präsentiert werden. Ist dies aus Platzgründen nicht möglich, ist es sinnvoll, einen Spielkatalog mit den Abbildungen und eventuell weiteren Beschreibungen aufzulegen. Hinweise und Bilder auf der Bibliotheks-Homepage weisen auf dieses Zusatzangebot hin.

 

Vorrangig sind Spiele sicherlich zum Verleih bestimmt. Wenn die Platzverhältnisse es zulassen, können Spiele durchaus während den Ausleihzeiten in der Bibliothek genutzt werden (z. B. Beschäftigungsspiele in der Kinderecke). Auch betreute Spielenachmittage sind bei den Kindern sehr beliebt. So manches Spiel wird zu Hause weitergespielt, weil dann das Lesen der Anleitung wegfällt.

 

Die Mühe lohnt sich

In der Bibliothek können Medien jeder Art angeboten werden – der Erfolg wird sich mit dem Engagement der Personen, die sich mit diesen Medien befassen, einstellen! Natürlich erfordert die Verwaltung und Betreuung der Spiele (Ausprobieren der Spiele, Kontrollieren der Spielteile, Kopieren der Spielanleitungen usw.) einen hohen Aufwand. Doch die Mühe lohnt sich: Denn das Spiel war und ist ein gesellschaftlicher Kulturfaktor, der uns mit all seinen Traditionen erhalten bleiben sollte!

 

Eine moderne Bibliothek führt heute neben Printmedien (Büchern, Zeitschriften) auch Hörbücher, CDs, DVDs, E-Medien usw. Unsere BenutzerInnen sind Multiangebote der Einkaufszentren gewöhnt und nutzen sie auch gerne. Aber auch Spiele sind eine äußerst sinnvolle Ergänzung des Angebots, denn den meisten Erwachsenen ist klar: Spielen ist lebenswichtig … für Kinder.

AutorIn: 
Brunhilde Dressel und Heidi Hietz

In den 1990er-Jahren wurde in Deutschland durch das Projekt „Medienpartner Bibliothek und Schule“ der Bertelsmann-Stiftung die Diskussion über eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen Bibliotheken und Schulen angestoßen. Seither etablierten sich viele Bildungspartnerschaften. Die Zusammenarbeit wird oft durch Kooperationsverträge mit den Schulen geregelt. Hier liegen sogenannte Spiralcurricula zugrunde, die den Lernort Bibliothek immer wieder an die Lernziele der Schule andocken lassen. Der Begriff „Spiralcurriculum“ kommt aus dem schulischen Kontext und beschreibt ein didaktisches Konzept zur Anordnung des Lernstoffes. Bibliotheken haben diesen Begriff adaptiert und mit eigenen Angeboten gefüllt.

 

Die Programme in Zusammenarbeit mit den Schulen erreichen in der Regel Kinder ab sechs Jahren. Doch der Motivationsschub zum Geschichtenhören und Bilderbuchbetrachten setzt viel früher ein. Die Stiftung Lesen wie auch engagierte Bibliotheken legten daher den Fokus zunehmend auf die Zeit vor der Schule und ergänzten die Spiralcurricula um den Bereich der frühkindlichen Leseförderung.

 

Angebote von XXS bis XXL

Belegt durch die Erkenntnisse der Hirnforschung, dass das Zeitfenster für neuronale Neuverknüpfungen in den ersten Jahren am größten ist, wurden immer mehr Programme mit Blick auf Babys und Kleinkinder entwickelt. Eine der ersten deutschen Bibliotheken mit literarischer Krabbelgruppe war die Stadtbücherei Würzburg. Während die Kinder mit Pappbilderbüchern, Stofftieren, Fingerspielen und Reimen animiert wurden, lernten die Eltern die Angebote der Bibliotheken kennen.

 

Die wichtigsten Bibliotheksangebote für diese Zielgruppe sind sicherlich die Buchstart-Programme, bei denen Eltern frühzeitig ein Paket mit dem ersten Bilderbuch geschenkt bekommen. Dies geschieht in der Regel in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Krankenhaus oder Kinderärzten.

 

Um Eltern mit Kindern früh an die Institution Bibliothek zu binden, sind Krabbeltreffs in Bibliotheken beliebt. Auch Medienkisten-Services für Mutter-Kind-Gruppen oder Wartezimmerbibliotheken bei Kinderärzten zeigen die Bandbreite von Bibliotheken und animieren zum Bibliotheksbesuch.

 

Kindergärten, Familienzentren, Kitas

Für die Zielgruppe der Kinder im Kindergartenalter sind Kitas, Familienzentren und Kindergärten wichtige Bildungspartner. In Kooperationsvereinbarungen werden regelmäßige Bibliotheksbesuche mit unterschiedlichen Schwerpunkten vereinbart. Spielerische Einführungen in Räumlichkeiten und Nutzung der Bibliothek fördern die Eigenmotivation der Kinder. Vorleseprogramme oder Sprachtrainings können weitere Inhalte sein. Wichtig ist, dass die Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Bibliothek nicht dem Zufall überlassen wird.

 

Viele Bibliotheken kooperieren mittlerweile auch mit Betreuungseinrichtungen für Vorschulkinder. Als Beispiele seien die Berliner City-Bibliothek mit ihrem Programm „Kinder werden WortStark“ und die Stadtbibliothek in Brilon mit ihrem Konzept der Leselatte genannt.

 

Kooperationen mit Schulen

Mit dem Schuleintritt der Kinder docken die Bibliotheken mit ihren Angeboten an die Lehrpläne der Schulen an. In den Grundschuljahren ist es wichtig, die Kinder beim Prozess des Lesenlernens und der Lesemotivation zu begleiten. Hier haben Bibliotheken die große Chance, den Kindern eine dauerhafte Liebe zum Buch und zur Bibliothek zu vermitteln. Beispiele für Aktionen sind Klassenführungen, Buchwerkstätten, Autorenlesungen oder Lesenächte.
Auch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Ganztagsbetreuungen der Schulen kann gute Erfolge zeigen. Unbedingt zu erwähnen sind auch die zahlreichen Leseclub-Initiativen in den Sommerferien, die sich in den letzten zehn Jahren etabliert haben. So verknüpft der Sommerleseclub den Lesespaß mit einer Anerkennung der Leseleistung in der Schule.

 

Bibliotheksangebote für SchülerInnen der weiterführenden Schulen sind bunt und vielfältig: Methodentraining, Rechercheübungen, Unterricht in der Bibliothek, Rallyes, Literatursuche, aber auch Spaß und Spiel rund um Jugendliteratur werden geboten.

 

Heute ist es für Öffentliche Bibliotheken wichtig, wenn nicht sogar überlebenswichtig, Konzepte zu entwickeln, auf deren Grundlage Eltern und Kinder mit dem Lesen und dem Ort Bibliothek vertraut gemacht werden. Mit Spaß, Freude und vor allen Dingen Kontinuität sollten sie sich auf den Weg machen und immer wieder an die Erlebenswelten von Kleinkindern, Kindern und Jugendlichen andocken.

Leseförderung ist wichtiger denn je und eine zentrale Aufgabenstellung für Bibliotheken. Wie aber schaffen es Bibliotheken, Kinder zu LeserInnen zu machen? Einmalige Veranstaltungen sind Strohfeuer, die schnell verpuffen. Gerade in der heutigen Zeit, die von schnellen Veränderungen im Medienbereich geprägt ist, ist es umso wichtiger, Struktur und Kontinuität in der Leseförder-Arbeit der Bibliothek zu verankern.

AutorIn: 
Ute Hachmann
Dokumente: 
Thema des Monats Teaser: 

Will man LeserInnen an die Bibliothek binden, lohnt eine konsequente Zielgruppenarbeit. Vom Krabbeltreff über Kooperationen mit Kindergärten über Vorlesenachmittage bis hin zur Hausaufgabenbetreuung von SchülerInnen reicht das Spektrum möglicher Angebote.

„Indem sie eine große Vielfalt an Materialien und Aktivitäten bieten, ermöglichen Öffentliche Bibliotheken es Kindern, die Freude am Lesen zu erfahren und die aufregende Entdeckung von Wissen und Phantasie. Kinder und ihre Eltern sollten darüber unterrichtet werden, wie sie die Bibliothek am besten nutzen können und wie sie mit Büchern und elektronischen Medien die Fähigkeiten ihrer Kindern entwickeln können.“ (1) 

 

Frühe Leseförderung

Eltern fördern das Lesen nachhaltig, sie sind die ersten Lesevorbilder ihrer Kinder und eröffnen ihnen Lesewelten über das heimische Bücherregal hinaus. Familien finden in den Öffentlichen Bibliotheken Bücher zum Vorlesen, zum Nachspielen, zum Forschen und schließlich zum Selberlesen durch das Kind. Zudem finden sie passende Angebote: Workshops für Kniereiter und Fingerspiele, zum Vorlesen und zum Theaterspielen, Informationen über spezielle Genres wie „Märchen“ und vieles mehr. So gibt die Bibliothek Impulse zur frühen Leseförderung, unterstützt diese mit ausgewählter Fachliteratur und bietet einen dritten Ort – neben Arbeitsstelle und Zuhause –, wo Eltern am Beispiel anderer den Umgang mit Büchern beobachten und imitieren können.

 

Lesen mal anderswo

Vielleicht liest der Vater einmal in der Bowling- und die Mutter in der Kletterhalle vor? Vielleicht lesen Eltern ihren Kindern am Fußballplatz (nicht während eines Spiels!) oder im Schwimmbad vor? Wenn die Öffentliche Bibliothek ihre Veranstaltungen und Impulse für Eltern an ungewöhnliche Orte verlagert, erreicht sie dadurch auch Familien, die bislang keine BibliotheksbenutzerInnen waren. Orte, die mit Spaß und Bewegung assoziiert werden, können dazu genutzt werden, vom Abenteuer des Lesens zu erzählen. Hier empfiehlt es sich, auch Väter stärker einzubinden, um damit dem Mangel an männlichen Lesevorbildern entgegenzuwirken.

 

Bibliotheken sind kommerzfreie Räume

Die unterschiedlichen Familienformen sind auch unterschiedlich von Armut bedroht. Kinderarmut ist sowohl in Deutschland als auch in Österreich im Ansteigen, wird aber weitgehend verschwiegen. Bibliotheken sollten für alle Kinder offen stehen: im ländlichen Raum ebenso häufig wie im urbanen Bereich, für Kinder mit Migrationshintergrund ebenso ansprechend wie für inländische Kinder. So brauchen mehrsprachige Familien Zugang zu entsprechenden Medien, Angebote von Vorlesestunden in der Muttersprache und das alles kostenfrei: Kinder haben das Recht auf Bildung unabhängig vom sozioökonomischen Status ihrer Eltern.

 

Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf

In der Öffentlichen Bibliothek können sich alle vernetzen, die ihren Beitrag zum Kindeswohl leisten: die Eltern und Verwandten, die Tageseltern, KindergärtnerInnen und ErzieherInnen, die MitarbeiterInnen der Familienberatungsstellen und die PsychologInnen von Kriseninterventionsstellen. Was braucht ein Kind zu seiner gesunden Entwicklung? Diese Frage steht im Zentrum, um sie gruppieren sich die Sachbücher und die Fachleute. Wenn es Bibliotheken gelingt, Treffpunkt all dieser Zielgruppen – auch nur an einem bestimmten Tag zu einem bestimmten Thema – zu werden, ist das Kindeswohl ein Stück gewachsen. Sobald BibliothekarInnen in diese Netzwerke integriert sind, wird Sprachförderung ihre konkrete Fortsetzung in der Bibliothek finden können. Eltern finden hier die passenden Medien, Entwicklung zu fördern beziehungsweise zu unterstützen und Entwicklungsverzögerungen im Bereich Sprache in Kooperation mit den Fachleuten langfristig gezielt zu beheben.

 

Kinderreime und Rechenspiele

Bezugspersonen fördern die Sprachkompetenz der Kinder, sie geben ihnen aber auch Sicherheit im Umgang mit Medien. So lernen Kinder hier schon sehr früh, Bücher auszuwählen und andere dazulassen. Der Kinderreim wird in seiner Bedeutung nicht geschmälert, wenn Sachtexte und Rechenspiele gleichberechtigt angeboten werden, das Vorlesen von Sachtexten erweitert das Angebotsspektrum des narrativen Vorlesens.

 

Dort, wo alle sind

Buchregale mit Crossover-Literatur, also Bücher, die sowohl von Erwachsenen als auch von Jugendlichen gelesen werden können, sind eine Fortführung des Gedankens, dass sich in Öffentlichen Bibliotheken die Generationen treffen und voneinander lernen. Die Zielgruppe Familie braucht Impulse für die Kinder und das in jedem einzelnen Lebensabschnitt. Sprachförderung und Einschulung, Pubertät und Erwachsenwerden: Diese Themen füllen Regale in den Bibliotheken und Stunden in Elterngesprächen.

 

Die Öffentliche Bibliothek als kommerzfreier Raum kann ein Treffpunkt für alle sein: Sie bietet ausreichend Raum, ausreichende Öffnungszeiten, um Teilhabe für alle Zielgruppen zu garantieren. Wenn Bibliotheken durch ihren Medienbestand sowohl mehrsprachige Familien als auch bildungsferne Eltern (etwa durch zielgerichtete Werbung zu einem Kinderevent) erfolgreich ansprechen, dann ist erreicht, dass das Lesen zwar noch immer Familiensache ist, Familien in all ihren Formen dabei aber nicht alleingelassen werden.

 

Anmerkungen:

(1) Vgl. IFLA-Richtlinie für Bibliotheksdienstleistungen für Babys und Kleinkinder, http://www.ifla-deutschland.de/de/downloads/guidelines_babies.pdf.

Die Bibliothekssozialisation von Kindern ist davon abhängig, wie deren Bezugspersonen – Eltern, Familie, BetreuerInnen – Bibliotheken wahrnehmen. Die Zielgruppe Familie reicht hier von der traditionellen Familie über AlleinerzieherInnen bis hin zur Patchwork- und Regenbogenfamilie. 

AutorIn: 
Christina Repolust
Thema des Monats Teaser: 

Leseförderung beginnt in der Familie. Wenn Eltern, Großeltern und andere Angehörige von Anfang an mit ihren Kindern lesen, ist der Grundstein für eine positive Lesekarriere bereits gelegt. Bibliotheken geben mit ihrem vielfältigen Angebot inspirierende Impulse für die Leseförderung und haben sich als Treffpunkt für die ganze Familie bewährt.

Der österreichische Buchmarkt verzeichnete 2012 laut dem Hauptverband des Österreichischen Buchhandels (HVB) ein Umsatzplus von 0,9 Prozent – ein bescheidener Zuwachs, aber angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage eine positive Bilanz im Vergleich zum Jahr 2011, in dem ein Rückgang um 3 Prozent verzeichnet wurde. Am stärksten konnten 2012 die Warengruppen Belletristik (+ 5,2 Prozent) und Ratgeber (+ 1,2 Prozent) zulegen, der Kinderbuchbereich wuchs um 0,2 Prozent. Das Sachbuch hingegen musste ein Minus von 5,8 Prozent hinnehmen.


Buchmarkt in Zahlen

Laut dem Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich gibt es in Österreich 1490 Verlage mit Gewerbeberechtigung sowie 1894 Buchhandlungen mit Gewerbeberechtigung (Stand Juni 2012). Die Zahl österreichischer Neuerscheinungen lag laut dem Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB) bei 6884 Titeln (von Jänner bis Oktober 2012). Mehr als 5000 österreichische Autorinnen und Autoren können laut IG Autorinnen Autoren auf zumindest eine größere literarische Publikation für ein breiteres Publikum verweisen (Stand Oktober 2012). Nur 10 Prozent können ihrer Schreib- und Veröffentlichungstätigkeit im Hauptberuf nachgehen.

 

Buchmarkt im Europavergleich

Im Vergleich mit Deutschland und der Schweiz lag Österreichs Buchhandel im Jahr 2012 laut einer Erhebung des Branchenmonitors Buch bei den Umsatzzahlen vorne. In Deutschland ging der Umsatz um 0,8 Prozent zurück, in der Schweiz um 1,1 Prozent.  Europaweite Daten werden jährlich vom Europäischen Verlegerverbandes (FEP) erhoben. Demnach verzeichnete der Buchmarkt in der EU und den Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums 2011 einen Rückgang. Während der Umsatz 2010 bei 23,5 Mrd. Euro lag, wurden 2011 22,8 Mrd. Euro umgesetzt. Einen leichten Anstieg gab es 2011 bei den Neuerscheinungen: 530.000 Titel erschienen, die meisten in Großbritannien.

 

Buchbranche im Umbruch

Die zunehmende Digitalisierung prägt den Buchmarkt. In Österreich ist der Umsatz mit E-Books zwar noch marginal, europaweit und international wächst der E-Book-Markt jedoch schnell. Laut einer Studie des HVB zum E-Book-Markt in Österreich vom Herbst 2012 geht die Mehrheit der Verlage von wachsenden Umsatzanteilen aus und hält einen E-Book-Marktanteil von 10 bis 15 Prozent im Jahr 2014 für realistisch. Fast ein Drittel der Verlage hat bereits elektronische Bücher im Angebot, knapp 90 Prozent sind bereit, in den digitalen Buchmarkt zu investieren.

Weltweit wurden 2012 laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens A.T. Kearney 3,5 Mrd. Euro mit E-Books umgesetzt, der Großteil (2,5 Mrd.) in Nordamerika. Der europäische E-Book-Umsatz hat sich 2012 auf 540 Millionen Euro verdoppelt und damit den asiatischen Markt mit einem Umsatz von 440 Mio. Euro hinter sich gelassen. Innerhalb Europas entfielen 64 Prozent der E-Book-Umsätze auf Großbritannien, 22 Prozent auf Deutschland. Die Marktforscher gehen davon aus, dass in Nordamerika bereits 2014 mehr elektronische als gedruckte Bücher verkauft werden. 2015 soll in Europa eines von fünf verkauften Büchern digital sein. Ob die Prognosen sich erfüllen, wird die Zeit zeigen – fest steht, dass sich die Buchbranche in einem Umbruch befindet.

2012 konnte der österreichische Buchmarkt – nach Umsatzeinbußen im Jahr 2011 – wieder ein leichtes Wachstum erzielen. Vor allem belletristische Titel legten zu. E-Books fallen hierzulande noch nicht ins Gewicht, international prägt die Digitalisierung den internationalen Buchmarkt jedoch immer mehr.

AutorIn: 
Simone Kremsberger

Wer nicht gut lesen und schreiben kann, tut sich in der Arbeitswelt schwer. Vom Entwerfen eines Bewerbungsschreibens über das Verfassen eines Berichts bis hin zum Lesen von Gebrauchsanleitungen oder der Lektüre von Weiterbildungsskripten: Überall wird man mit Schrift konfrontiert, die entziffert, gedeutet, wiedergegeben werden muss. Wo dies nicht geleistet werden kann, treten rasch Probleme auf.

 

Schlechter Stand im Berufsleben

Wenn Lehrlinge nicht mehr sinnerfassend lesen können, ArbeiterInnen schriftliche Aufträge nicht verstehen oder Angestellte massive Schwierigkeiten in der Rechtschreibung haben, fällt das nicht nur auf das Ansehen der Betriebe zurück, sondern hat auch wirtschaftliche Folgen. Jedes Unternehmen baut schließlich auf die Kompetenz seiner MitarbeiterInnen, und da gehört ohne Zweifel die Lese- und Schreibfähigkeit dazu. Immer öfter investieren Betriebe daher selbst in die Ausbildung und vermitteln zum Beispiel Lehrlingen Grundkenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen, die diese in Schule und Elternhaus nicht mitbekommen haben. Nur so kann die Wettbewerbsfähigkeit gewahrt bleiben.

 

Die negativen Folgen betreffen aber nicht nur die Unternehmen, die oft händeringend nach gut ausgebildeten Fachkräften suchen. Wer das Lesen und Schreiben nicht ausreichend beherrscht, ist in der Berufsauswahl eingeschränkt – und damit möglicherweise auch in den Verdienstmöglichkeiten. Noch schwerer ist es, sich im Job weiterzuentwickeln. In einem zunehmend computerisierten Arbeitsumfeld gibt es kaum noch Berufe, die ohne Schriftlichkeit auskommen. Karrieresprünge sind daher kaum denkbar, wenn man mit dem Lesen und Schreiben auf Kriegsfuß steht.

 

Negative gesellschaftliche Auswirkungen

Auch im Alltagsleben drohen viele Nachteile für diejenigen, die nicht über ausreichende Lese- und Schreibkenntnisse verfügen. Schließlich baut unsere gesamte Gesellschaft auf Schriftlichkeit auf. Ob es um die Kommunikation mit der Krankenkasse, die Abwicklung eines Autokaufs oder die Lektüre eines Bescheids vom Finanzamt geht: Überall ist man – auch finanziell – im Vorteil, wenn man lesen und schreiben kann. Wohin sich eine Gesellschaft entwickelt, in der rund ein Fünftel der BürgerInnen nicht sinnerfassend lesen kann, zeichnet sich jedenfalls ab. Nicht nur erleidet der Wirtschaftsstandort Österreich Nachteile, sondern auch demokratiepolitisch entsteht ein gewisses Gefährdungspotenzial. Wer sich nicht umfassend informieren kann, ist anfällig für politische Extreme. Und politische Entscheidungen wiederum wirken sich auf die Wirtschaft aus, womit sich der Kreis schließt. Lesen können lohnt sich also in jedem Fall!

Die Forderung nach einer "lesefähigen Gesellschaft" gründet sich längst nicht mehr nur auf einen tradierten Bildungsanspruch. Schließlich weiß man mittlerweile sehr gut, dass sich eine unzureichende Lesefähigkeit ebenso auf den Arbeitsmarkt auswirkt wie auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen.

AutorIn: 
Silke Rabus
Thema des Monats Teaser: 

Die Forderung nach einer "lesefähigen Gesellschaft" gründet sich längst nicht mehr nur auf einen tradierten Bildungsanspruch. Schließlich weiß man mittlerweile sehr gut, dass sich eine unzureichende Lesefähigkeit ebenso auf den Arbeitsmarkt auswirkt wie auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen.

„Den“ jugendlichen Leser gibt es nicht, ebenso wenig „die“ jugendliche Bibliotheksnutzerin – Heranwachsende gehören unterschiedlichen Jugendszenen an und haben schnell wechselnde Vorlieben. Aufgrund der Verlaufsmöglichkeiten nach dem „Leseknick“ lesen manche regelmäßig, andere gar nicht, manche nur, um Information zu gewinnen, andere, um den „Leseflow“ zu erleben. Oft lesen Mädchen in dieser Altersgruppe mehr und lieber als die Buben. Die Schere zwischen guten LeserInnen und NichtleserInnen ist jedenfalls groß.

 

Vor dem Hintergrund, dass unzureichende Lesekompetenz (jede/r fünfte 15-Jährige kann nicht sinnerfassend lesen) und vorzeitige Schul- bzw. Ausbildungsabbrüche (in Österreich rund 10.000 pro Jahr) zu den wesentlichen Problemen des europäischen Bildungssystems gehören, hat Leseförderung für Jugendliche eine immense Bedeutung. Schließlich ist schulischer und beruflicher Erfolg untrennbar mit Sprach- und Lesekompetenz verbunden.

 

Veränderte Mediennutzung und virtueller Alltag

Dabei muss das veränderte Mediennutzungsverhalten dieser Altersgruppe im Mittelpunkt stehen. Dieses stellt herkömmliche Leseförderung immer wieder vor Herausforderungen: Jugendliche nutzen digitale Technologien als integralen Bestandteil ihres Lebens (siehe auch JIM-Studie zum Informations- und Medienverhalten von Jugendlichen 2011) und lesen eigentlich dauernd: auf Websites, in sozialen Netzwerken, auf dem Smartphone, auf dem Tablet-PC etc. Diese massive Nutzung macht andere Denkmuster und Formen der Informationsverarbeitung notwendig: Das Nebeneinander von Bild und Text erfordert mehr Eigenleistung, um Zusammenhänge zwischen den einzelnen Textbausteinen herzustellen. Insofern sollte eine Förderung der Lesekompetenz auch jene der Medienkompetenz umfassen, etwa durch Workshops wie „Sicherheit im Netz“. Es gilt in dieser Altersgruppe zu beachten, dass Jugendliche sowohl ein reales als auch zum großen Teil virtuelles Leben haben.



Gedruckte und elektronische Medien ergänzen sich in der Leseförderung der Jugendlichen in jedem Fall. Dies stellt BibliothekarInnen vor die Herausforderung, ständig up to date zu bleiben: über Genres, Reihen, Bücher-Trends, aber auch Filme, Games … Das klassische Buch beziehungsweise das literarische Lesen treten im Jugendalter nicht selten in den Hintergrund. Was jedoch nicht bedeutet, dass Jugendliche keine guten Geschichten lesen, hören, schreiben, erleben wollen!



Neue Rolle der Bibliothek

Aber auch die Rolle der Bibliotheken hat sich verändert: Jugendliche suchen hier vor allem Informationen für die Schule, zum Beispiel für Referate, Informationen zum Zeitgeschehen oder zu persönlichen Problemen. Sie wollen Medien, die aktuell und „in“ sind, und nutzen die Bibliothek als öffentlichen Raum, um sich mit anderen zu treffen. Innerhalb der Bibliothek fühlen sie sich mehr dem Erwachsenen- als dem Kinderbuchbereich zugehörig; dem sollte auch bei der Aufstellung und Raumgestaltung entsprochen werden. Idealerweise gibt es einen eigenen Jugendbereich, der gemeinsam mit jugendlichen LeserInnen gestaltet werden kann. Dieses Einbeziehen in die Bibliotheksarbeit kann leseanimatorisch wirken und in Form konkreter Mitarbeit oder mittels Umfragen zu Lesevorlieben/Medienwünschen geschehen. Vielleicht möchten Jugendliche auch den Blog, Twitter- oder Facebook-Account der Bibliothek betreuen oder einen solchen anlegen.

 

Leseanimation ohne „Leseförder“-Stempel

Prominente Lesestoffe aus der Jugendkultur wie Fantasy, Romantasy, Mystery, Steampunk oder Dystopien und Tierfantasy werden meist in der Schule nicht thematisiert, faszinieren aber die Heranwachsenden und gehören wie Mangas, die immer beliebter werdenden Graphic Novels, All-Age- und Ratgeberliteratur, Sachbücher und Zeitschriften zu einer jugendgerechten Bibliothek.



Weitere Angebote:

  • Dazupassende Manga- oder Comic-Zeichenworkshops, die die Begegnung mit „echten“ IllustratorInnen ermöglichen.
  • Verkleidungspartys (z. B. Cosplay) für Manga-/Anime-LiebhaberInnen, die dem japanischen Verkleidungstrend folgen.
  • Lesewettbewerbe wie die britische „Six Book Challenge“ (hier muss man bei denen man eine bestimmte Anzahl an Büchern lesen muss, um an einer Verlosung teilzunehmen, oder wie „Read 4 Fun“ (Steiermark) und „Read & Win (Tirol), wo ein kreativer Beitrag zum Lieblingsbuch einzureichen ist,
  • neue Formen der Buchvorstellung wie Book Slam©, bei denen für dreiminütige Buchpräsentationen, die sich jedweder Methodik (z. B. szenische Lesung, YouTube-Video …) bedienen dürfen, Noten von 1 bis 10 vergeben und am Ende die SiegerInnen gekürt werden,
  • sowie Poetry-Slams sind partizipativ und dynamisch und so der jugendlichen Lebenswelt sehr nahe. Das Konzept „Digital Storytelling“ wiederum verbindet die uralte Tradition des mündlichen Geschichtenerzählens mit multimedialer Computertechnik.



Schreibwerkstätten oder längerfristige Schreibprojekte (wie „Krimi macht Schule“) fördern und fordern die Partizipation der Jugendlichen und stärken darüber hinaus die (schrift-)sprachlichen Kompetenzen. Zudem stellt der direkte und persönliche Austausch mit AutorInnen auch für Jugendliche einen besonderen Reiz dar. Projekte, die unterschiedliche Methoden und Medien wie eine Verbindung von Buch und Film bedienen, oder Angebote zum vorwissenschaftlichen Arbeiten im Rahmen der standardisierten Reifeprüfung bieten sich gut im Rahmen von Kooperationen mit Schulklassen an und geben Bibliotheken die Gelegenheit, sich verstärkt als Informations- und Recherchezentren zu positionieren.

Spannende Projekte und Aktionen, die an die Interessen der Jugendlichen anknüpfen, sie aktiv einbinden und nicht zu offensichtlich die Aufschrift „Leseförderung“ vor sich hertragen, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass lebenslang abrufbare Lesemuster gefestigt werden und auch jugendliche Wenig- oder NichtleserInnen Gefallen an der Bibliothek und am Lesen finden.

 

Weiterführende Literatur

  • Franziska Ahlfaenger: Jugend - Bildung – Bibliotheken. Modelle der Finanzierung und Projektförderung. Mit praktischen Beispielen. Simon Verlag für Bibliothekswissen 2009.
  • Franziska Ahlfaenger: Partizipation Jugendlicher in Bibliotheken. Eine grundlegende Basis für innovative Ideen und Angebote. Simon Verlag für Bibliothekswissen 2011.
  • Petra Anders: Poetry Slam. Unterricht, Workshops, Texte und Medien. Schneider Verlag 2011.
  • Kerstin Keller-Loibl: Handbuch Kinder- und Jugendbibliotheksarbeit. Bock & Herchen Verlag 2009.
  • Wolfgang Schmitz, Britta Sösemann, Friedrich Hasse: Schneller lesen – besser verstehen für Jugendliche. rororo Verlag 2011.

PISA und andere Studien stellen der Lesekompetenz der Jugend kein gutes Zeugnis aus. Leseförderung für die jugendliche Zielgruppe hat daher eine besondere Bedeutung. Wer Jugendliche erreichen will, sollte aber nicht auf herkömmliche Rezepte zurückgreifen – sondern vielmehr auf ihr Medienverhalten, ihre reale und virtuelle Lebenswelt sowie ihre vielfältigen Interessen und Bedürfnisse eingehen.

AutorIn: 
Verena Gangl
Thema des Monats Teaser: 

Wie kann man Jugendliche für das Lesen begeistern? Mit welchen Medienangeboten lockt man junge Erwachsene in die Bibliothek? Und welche Veranstaltungen interessieren Teenager? Wer Leseförderungaktivitäten für Jugendliche anbieten möchte, stellt sich einer gleichermaßen spannenden wie bereichernden Herausforderung.

Den Bibliotheken kommt für die Zielgruppe „Volksschulkinder“ die Aufgabe der „außerschulischen Leseförderung“ zu –  das bedeutet, Interesse und Lust am Lesen, an Büchern, an AutorInnen, an Sprache und Sprachspiel zu wecken. Vielfältig sind die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Volksschulen und öffentlichen Bibliotheken beziehungsweise zwischen Schulbibliotheken und öffentlichen Bibliotheken.

 

Lesen und zuhören

Der Schuleintritt markiert den Übergang von der Mündlichkeit – Erzählen, Fragen, Vorlesen und Zuhören – in die Schriftlichkeit: Ab ihrem sechsten bzw. siebten Lebensjahr lesen und schreiben Kinder selbst, werden dadurch autonomer und beginnen, auch selbstbestimmt zu lesen. Hier leisten öffentliche Bibliotheken für die Kinder und ihre erwachsenen Bezugspersonen viel, wenn sie für die Volksschulklassen zu fixen Zeiten Vorlesestunden anbieten: Damit knüpfen sie besonders für die ersten und zweiten Klassen an bekannten Ritualen an, steigern den Textanteil der vorgelesenen Bücher und erreichen damit auch Kinder aus Haushalten mit geringerer formaler Bildung. Die Vorlesestunden, die Lesenächte der öffentlichen Bibliotheken sind keine Schulstunden. Das macht sie zu etwas Besonderem im Kontext von Schule und Leseförderung. Es ist der Stabilisierung der Lesefähigkeit zuträglich, wenn Kinder auch weiterhin vorgelesen bekommen oder abwechselnd mit VorleserInnen Textteile lesen – egal, ob mit einem Tablet, einem Smartphone oder einem Buch.

 

Erstlektüre: spannend und gendergerecht

Öffentliche Bibliotheken bieten eine Vielfalt von Erst- und Leichtlesebüchern an, die nicht immer den Ansprüchen der Erwachsenen entsprechen. Nur: Für diese sind sie auch nicht geschrieben, sondern für LeseanfängerInnen, für die das Decodieren der Texte mehrheitlich harte Arbeit ist. Und die soll sich lohnen. Es ist daher sinnvoll, das Angebot bewusst auf Ausgewogenheit zu überprüfen: Beziehungs-, Tier- und Liebesgeschichten sind also ebenso vertreten wie Spannung, Abenteuer, Heldinnen und Helden.

 

Positives Selbstkonzept als LeserInnen

Sommerleseclubs, Lesenächte, Lesewochen, Lesepässe für die Schulkinder steigern deren Selbstkonzept als LeserInnen. Beim Sammeln diverser Stempel kommt es nicht auf die Seitenanzahl an, ein Buch ist ein Buch. Dass aber zugleich auch die Lesemenge gesteigert wird, ist der subtile Kern dieser Aktivitäten. Die PIRLS-Studie 2006 zeigt, dass 45 Prozent der 9- bis 10-Jährigen jeden oder fast jeden Tag außerhalb der Schule lesen, weil es ihnen Spaß macht. Dabei ist auffällig, dass diese Kinder mit Abstand am häufigsten informierende Bücher – „Bücher, die etwas erklären“ – lesen. Interessant ist, dass die Befragten hier nicht die klassischen Sachbuch-Genres meinen, sondern durchaus auch Erzählungen, die sie als informierend wahrnehmen. Diese Ergebnisse sollten dazu führen, einen zweiten Blick auf den Medienbestand und seine Zusammensetzung in öffentlichen Bibliotheken zu werfen.

 

Lesungen und Leseförderungsaktionen

Begegnungen mit AutorInnen beeindrucken. Im Gespräch können Schreibhintergründe nachgefragt werden, je nach Alter der Kinder unterschiedlich differenziert, aber immer spontan und ehrlich. Workshops mit IllustratorInnen, Schreibwerkstätten mit AutorInnen in der öffentlichen Bibliothek, auch in Kooperation mit der Volksschule, steigern die Selbstwirksamkeit der TeilnehmerInnen, bekräftigen ihr Selbstkonzept als LeserInnen und SchreiberInnen. Wenn die SchülerInnen der dritten und vierten Volksschulklassen als RezensentInnen der Bücher ihrer Altersgruppe gewonnen werden können, tritt der positive Peergroup-Effekt ein, ebenso als Kinder-LesepatInnen für die SchulanfängerInnen oder auch für Kindergartenkinder.

 

Gezielte Kooperationen mit den Volksschulen führen zur Entwicklung von Jahreskonzepten, setzen Jahresplanung im Veranstaltungsbereich und im Medienaufbau voraus. Bibliotheken sind kompetente Partner von Eltern und Schule, sie sind jener öffentliche Raum, in dem Kinder Freizeit verbringen, freiwillig zu Büchern greifen und die Bibliothek als System erforschen und begreifen können. 

 

Weiterführende Literatur

  • Eduard Beutner, Ulrike Tanzer (Hrsg.): Lesen. Heute. Perspektiven. Studienverlag 2010.

Nur dort, wo Interesse geweckt wird, wird erfolgreich gelernt. Es gilt also, die Neugierde der Kinder wachzuhalten, sie als WeltentdeckerInnen anzusprechen und ihnen so effektive Lese- und Lernstrategien zu vermitteln.

AutorIn: 
Christina Repolust

Jede Bilderbuchgeschichte bietet auf der Wort- und Bildebene Anregungen zum dialogischen Vorlesen und damit zur Erweiterung des Wortschatzes. Wenn Bibliotheken Kindern und Eltern ein differenziertes Bilder-, Märchen- und Sachbuchangebot machen, fördern sie die Fähigkeit, Bild- und Textinformationen zu interpretieren und zu verarbeiten.

 

Altersgemäßes Angebot

Der Wortschatz von Zweieinhalbjährigen umfasst mehr als 500 Wörter, sechsjährige Kinder verfügen durchschnittlich über einen aktiven Wortschatz von 5000 bis 6000 Wörtern, 20-Jährige über 16.000 Wörter. Es sind die ersten Lebensjahre, die prägend für den souveränen Umgang mit dem aktiven Wortschatz sind. Je stärker und eindringlicher die Reize der Umwelt – Eltern, Kindergarten – sind, desto gewandter werden Kinder in der Nutzung ihres Wortschatzes. Längere Bilderbücher mit einer durchgängigen Handlung für Kinder zwischen drei und vier Jahren, Märchenbilderbücher für Kinder zwischen dem vierten und dem fünften Lebensjahr sowie komplexere Bilderbuchgeschichten für die Fünf- bis Sechsjährigen sind das jeweils altersgemäße Angebot. Nicht zu vergessen sind hier gendergerechte Angebote sowie Sachbücher, die die brennenden Fragen der jungen LeserInnen beantworten. Lese- und Sprachförderung übersehen häufig das Gesprächspotenzial, das gerade Sachbilderbücher bieten: Hier ist die Rede-Antwort-Situation noch einmal durch die Konzepte der Sachtexte verstärkt.

 

Sprache schafft Wirklichkeit

Kinder können ab ihrem dritten Lebensjahr Wünsche formulieren, ihre Ideen ausdrücken. Sie sprechen von sich nicht mehr unter Nennung des Vornamens, sondern als „Ich“. In dieses Entwicklungsfenster fällt auch das Benennen ihrer Gefühle. Sie wissen bereits, wie sich Angst, Hunger und Freude anfühlen, sie ordnen ihre Emotionen diesen abstrakten Begriffen zu. Das ist die Basis dafür, dass sich Kinder ab drei Jahren mit den HeldInnen der Geschichten identifizieren. Sie erkennen Anteile von sich selbst in den handelnden Figuren wieder und reagieren daher empathisch auf die in Wort und Bild erzählten Geschichten. Vorlesestunden – ein- und mehrsprachig – in der Öffentlichen Bibliothek unterstützen den Spracherwerb und animieren Erwachsene dazu, vorzulesen: in der Kindergruppe, im Kindergarten, als Tagesmutter oder -vater, als Mutter, Vater, Onkel, Oma.

 

Bilderbuchfiguren als „Vorbilder“

Kindergartenkinder erkennen in der Freundschaftssuche der HeldInnen – auch in Tierform – eigene Gefühle wieder. Sie können sich bereits auf komplexere Handlungen einlassen, verstehen die Verbindungen zwischen den handelnden Figuren und verstehen die Konsequenzen der einzelnen Taten der HeldInnen. Wut und Zorn, dargestellt in Wort und Bild, sind hier ebenso Themen wie Liebe und Freundschaft. Wenn Drei- bis Sechsjährige die Bilder betrachten, erkennen sie aufgrund der Körperhaltung der HeldInnen deren Gefühle, sie können also Bilder und Emotionen einander zuordnen und mit ihren Bezugspersonen darüber reden.

 

Gedanken in Worte fassen

Erwachsene Bezugspersonen daheim, in der Kindergruppe und im Kindergarten greifen mit gezielten Fragen die Emotionen auf, erweitern mit konkreten Fragen, die nicht nur mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden können, den Wortschatz der Kinder und fördern zusätzlich deren Kompetenz, Gefühle verbal auszudrücken.

 

Gezielte Fragen beim Bilderbuchbetrachten können sein:

  • Was meinst du, wie fühlt sich X jetzt? Wie ist ihr/ihm zumute?
  • Kennst du dieses Gefühl?
  • Was würdest du denn tun, wenn du X wärst?
  • Wie geht die Geschichte weiter?

 

Dialogisches Vorlesen

Dialogisches Vorlesen, das heißt Vorlesen und Nachfragen bei den ZuhörerInnen, verfestigt erstens die Geschichte und bezieht zweitens die Kinder aktiv in den Geschichtenverlauf mit ein. Vorschulkinder erfahren so, dass sich der Weg eines Helden, einer Heldin verändern kann, dass es nicht schlimm ist, die eigene Angst oder Wut anzusprechen.

 

Die Vorlesestudie 2012 der Deutschen Bahn, der Wochenzeitung „Die Zeit“ und der Stiftung Lesen hat die Akzeptanz von Vorlese-Apps getestet: Sie werden hervorragend angenommen und erreichen auch Schichten mit geringer formaler Bildung (Smartphones und Tablets sind in ihren Haushalten gleich häufig vorhanden wie in Schichten mit hoher formaler Bildung). Erwachsene wie Kinder nutzen die Vorlese-Apps unterwegs, während das Vorlesen eines Bilderbuches daheim, zum Einschlafen, nach wie vor konkurrenzlos ist.

 

Heute ist es ein Service Öffentlicher Bibliotheken, neben einer breiten Palette an Bilderbüchern auch Angebote für PädagogInnen und Eltern machen, die die Vermittlung von Bilderbüchern im Fokus hat. Es geht schon lange nicht mehr um die bloße Zurverfügungstellung von Bilderbüchern, sondern um den beispielgebenden Umgang mit diesem Genre. Das Selbstkonzept der Kinder geht dadurch in die richtige Richtung, wenn Vorschulkinder von sich sagen: „Ich bin ein Leser“, „Ich bin eine Leserin“. 

 

Weiterführende Literatur

  • Maryanne Wolf: Das lesende Gehirn. Wie der Mensch zum Lesen kam – und was es in unseren Köpfen bewirkt. Spektrum Akademischer Verlag 2010.

  • Friederike Plaga: Bilderreich & wortgewandt. Kindliches Bildverstehen und Frühpädagogik. kapoed Verlag 2012.

  • Christine Gerbe, Karl Holle, Tatjana Jesch: Texte lesen. Lesekompetenz – Textverstehen – Lesedidaktik – Lesesozialisation. UTB Verlag 2009.

Drei- bis Sechsjährige suchen interessante Bilder und spannende Geschichten, sie haben Interesse an der Welt, stellen „Warum“-Fragen und sind der Magie der Märchen gegenüber aufgeschlossen. Sie wollen über ihre Gefühle reden und die HeldInnen in den unterschiedlichen Situationen auf diversen Erzählebenen verstehen. 

AutorIn: 
Christina Repolust

Um Kinder von klein auf für Bücher und das Lesen zu begeistern, bedarf es guter Ideen und vieler Partner. Als wichtige Partner in der frühkindlichen Leseförderung werden Bibliotheken neuerdings verstärkt wahrgenommen. Lesefrühförderungsprogramme erreichen nachweislich auch Familien, die sonst keinen leichten Zugang zu Büchern finden, sie erleichtern den Eintritt in die reichhaltige Welt der Bücher und die Nutzung der unterschiedlichsten Angebote Öffentlicher Bibliotheken.

 

„Bookstart“ als Vorbild

Das große Vorbild vieler Lesefrühförderungsinitiativen ist das von Wendy Cooling 1992 ins Leben gerufene englische Projekt „Bookstart“, bei dem Familien mit Lesestartpaketen zur Geburt und zum dritten Geburtstag des Kindes versorgt werden. Nach und nach wuchs die Idee zu einem nationalen Projekt heran, heute wird sie in über 20 Staaten aufgegriffen und dort in ihrer individuellen Ausprägung vor dem Hintergrund der eigenen Lesekultur weiterentwickelt.Ob in Deutschland, Italien, Südtirol, Belgien, Schweiz, Österreich, Norwegen, Kanada, Australien oder anderswo: Allen Buchstartaktivitäten ist der Ansatz gemeinsam, dass bereits im Babyalter die Weichen für eine geglückte Lesekarriere gestellt werden. Eltern werden angeregt, gemeinsam mit ihrem Baby die Welt der Sprache und der Fantasie zu entdecken und Lesefreude zu teilen.


„Buchstart“-Aktivitäten in Österreich

Bereits in den 1990er-Jahren hat das Österreichische Bibliothekswerk erfolgreich ein breit angelegtes Projekt zur frühen Leseförderung gestartet, in den letzten Jahren erfuhr es seine Fortsetzung mit dem landesweiten Lesefrühförderungsprojekt „Buchstart: mit Büchern wachsen“. Inzwischen gibt es eine große Bandbreite an überregionalen wie lokalen Buchstart-Aktivitäten in ganz Österreich, darunter zum Beispiel die „Bookstart“-Initiativen der Büchereien Wien, der Leseoffensive Steiermark, oder die Vorarlberger Initiative „Kinder lieben lesen“, konzipiert in Anlehnung an das Südtiroler Projekt „Bookstart – Babys lieben Bücher“.

 

Initiativen in Deutschland und der Schweiz

„Lesestart – Drei Meilensteine für das Lesen“: Diese 2011 gestartete, deutschlandweite Leseförderinitiative ist ein Programm zur Sprach- und Leseförderung, das sich ebenfalls an die Jüngsten richtet. Es will Eltern zum Vorlesen motivieren und Kinder fürs Lesen begeistern. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert und von der Stiftung Lesen durchgeführt. Das Projekt „Schenk mir eine Geschichte – Family Literacy" wurde vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM, Abteilung Literale Förderung, ins Leben gerufen.

 

Eine wesentliche Aufgabe der frühkindlichen Lese- und Sprachförderung in Bibliotheken ist es, mit diesen und ähnlichen Projekten und Initiativen Eltern über ihre Rolle als Leseförderer zu informieren und langfristig an die Bibliothek zu binden.

 

Weiterführende Literatur

  • Marie Luise Rau: Literacy. Vom ersten Bilderbuch zum Erzählen, Lesen und Schreiben. Haupt Verlag 2009.
  • Andrea Bertschi-Kaufmann: Das Lesen anregen, fördern, begleiten. Friedrich Verlag 2010.
  • Sylvia Näger: Literacy. Kinder entdecken Buch-, Erzähl- und Schriftkultur. Herder Verlag 2013.

 

Bibliotheken sind wichtige Partner in der Lesefrühförderung. Mit ihren Angeboten können sie Eltern dabei unterstützen, ihre Kinder mit Büchern vertraut zu machen und die Lust am Lesen zu wecken. Ein Überblick über die Geschichte von „Bookstart“ und Initiativen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. 

AutorIn: 
Elisabeth Zehetmayer

„Im Rahmen des Lernens in der Familie sowie des lebenslangen Lernens ist der uneingeschränkte Zugang zu Öffentlichen Bibliotheken für Kinder unter drei Jahren ein grundlegendes Menschenrecht und ein Bestandteil, um die Entwicklung des Zahlenverständnisses und der Lese- und Schreibfähigkeit im späteren Leben zu fördern.“ (IFLA: Richtlinie für Bibliotheksdienstleistungen für Babys und Kleinkinder)

 

Was versteht man unter Lesefrühförderung?

Der komplexe Begriff „Literacy“ umfasst nicht nur die Lese- und Schreibkompetenz, sondern auch das Text- und Sinnverständnis, die sprachliche Abstraktionsfähigkeit, die Lesefreude, die Vertrautheit mit Büchern und der Schriftsprache sowie die Fähigkeit, sich schriftlich auszudrücken. Erfahrungen, die zum Erwerb dieser Kompetenzen führen, können Kinder bereits von Geburt an im Rahmen ihrer Familie sammeln. Denn lange bevor Kinder lesen und schreiben lernen, machen sie Erfahrungen mit den unterschiedlichen Facetten der Lese-, Erzähl- und Schriftkultur. Hier setzt die literale Förderung im Frühbereich, die Lesefrühförderung, ein.

 

Lesefrühförderung bedeutet, Kinder zu unterstützen, das Medium Buch mit allen Sinnen zu begreifen. Sie bildet die Basis für ein Leben, in dem die Lust am Lesen eine große Rolle spielt.

 

Warum ist Lesefrühförderung so wichtig?

Leseförderung beginnt im Babyalter. Entsprechende Fördermaßnahmen sollten rund um den ersten Geburtstag eines Kindes starten, denn Kinder, die von Anfang an mit Büchern aufwachsen, sind im Vorteil. Sie erfahren zeitig, wie viel Spaß in Bildern und Büchern steckt und werden ein Leben lang Freude am Lesen und Lernen haben.

 

Die Ergebnisse der PISA-Studien seit 2003 haben den Ruf nach früher Sprach- und Leseförderung verstärkt. Frühkindliche Förderung trägt dazu bei, die Chancengleichheit der Kinder hinsichtlich ihres Schulerfolgs zu erhöhen und Leseschwächen vorzubeugen. Frühe, vielfältige Erfahrungen mit Erzähl- und Schriftkultur sind wichtige Voraussetzungen für das spätere Lesenlernen. Lesefrühförderung ist eine große Hilfe beim Spracherwerb und für die Gesprächskultur innerhalb der Familie. Entsprechend wichtig ist der Familienkontext für die Herausbildung einer lebenslangen Bindung ans Lesen. Bilderbücher und deren Betrachtung gehören zu den wirksamsten Formen der Sprachförderung. Das gemeinsame Betrachten von Bilderbüchern bringt Kindern und Eltern eine ganz besondere Erfahrung von Nähe, Geborgenheit und Lesevergnügen. Kinder, die von ihren Eltern vorgelesen bekommen und frühen Umgang mit Büchern haben, zeigen im PISA-Test höhere Lesefähigkeiten als Kinder, in deren Familien nicht gelesen wurde. Die positive Wirkung des Vorlesens auf das spätere Lesevermögen ist quer durch alle sozialen Gruppen zu beobachten. Im Rahmen von Vorlesesituationen und unterschiedlichsten Formen der mündlichen Kommunikation mit den Eltern kann ein Kind spielerisch den Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit meistern, es wird behutsam auf die schulische Alphabetisierung vorbereitet, seine Lesefreude wird geweckt.

 

Wer spielt eine Rolle bei der Lesefrühförderung?

Der Erwerb der Lesefähigkeit vollzieht sich stets in einem gesellschaftlichen Rahmen. Ob Kinder zu LeserInnen werden, hängt von sozialen Einflüssen und Bedingungen ab. Familie, Schule, Bibliothek etc. haben hier eine wichtige Vermittlerfunktion. Sie sorgen dafür, dass das Kind in die Schriftkultur hineinwächst. Der Grundstein einer erfolgreichen Lesekarriere wird in der Familie gelegt. Eine entsprechende familiäre Begleitung und Unterstützung während des Lesesozialisationsprozesses ist für Kinder unerlässlich. Kinder, die in der Familie schon von Geburt an vielfältige Lese- und Schreibkompetenz-Erfahrungen machen können, haben es später beim Lesen- und Schreibenlernen leichter. In den ersten Lebensjahren sind die Eltern die wichtigsten ExpertInnen für die Entwicklung ihrer Kinder, daher spielt die Stärkung der Eltern bei ihren Erziehungs- und Bildungsaufgaben eine wichtige Rolle für eine gelungene frühkindliche Leseförderung.

 

Wie kann am besten zum Lesen motiviert werden?

Laut Medienpädagogin Nicole Kalteis erhöhen folgende Faktoren die Lesemotivation der Kleinsten:

  • Das elterliche Lesevorbild ist ausschlaggebend – Kinder lesen, wenn die Eltern lesen.
  • Das Vorlesen sollte in den Familienalltag eingebunden sein.
  • Kinder und Eltern sollten zum Lesen verführt werden.
  • Ein gutes allgemeines Familienklima ebnet den Weg für ein gutes Leseklima.
  • Ganz entscheidend ist die Präsenz von Büchern, sie sollten als Gebrauchsgegenstand des Alltags und als etwas Nützliches erlebt werden.
  • Ein möglichst großes und abwechslungsreiches Angebot an Lesestoffen sollte vorhanden sein. Erlaubt ist, was Lesefreude weckt!
  • Da Lesen als Teil einer umfassenden Medienkompetenz gefördert werden soll, ist natürlich auch der Einsatz aller anderen Medien willkommen.

 

Weiterführende Literatur

  • Marie Luise Rau: Literacy. Vom ersten Bilderbuch zum Erzählen, Lesen und Schreiben. Haupt Verlag 2009.
  • Andrea Bertschi-Kaufmann: Das Lesen anregen, fördern, begleiten. Friedrich Verlag 2010.
  • Sylvia Näger: Literacy. Kinder entdecken Buch-, Erzähl- und Schriftkultur. Herder Verlag 2013.

Lesefrühförderung ist die Basis für ein Leben als Leser oder Leserin. Wer von Anfang an Bücher für sich entdeckt, wird auch später Freude am Lesen und Lernen haben. Eine wichtige Rolle spielen die Familie und das soziale Umfeld: Vor allem die Eltern sind die ausschlaggebenden Lesevorbilder für ihre Kinder.

AutorIn: 
Elisabeth Zehetmayer
Thema des Monats Teaser: 

Leseförderung beginnt bei den Jüngsten. Kinder, denen schon im Babyalter vorgelesen wird, haben es später beim Lesen- und Schreibenlernen leichter. Der Grundstein für eine erfolgreiche und lustvolle Lesekarriere wird in der Familie gelegt, etwa bei gemeinsamen Lesen eines Bilderbuchs.

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