Nach 1945 dominierte nahezu eine Generation lang das Element tief reichenden Zweifels an Kultur, Welt und Humanismus die österreichische Literatur. In Sprache und Stil drückte sich dies einerseits als Sprachzweifel und als Sprachkritik aus. Andererseits als beschwörende Beschreibung von Hässlichkeit und als Auslotung mutmaßlich nicht-demokratischer, von körperfeindlicher Religion und Fremdenfeindlichkeit imprägnierter provinzieller Enge. Das galt für Hans Lebert wie für Thomas Bernhard, für Ernst Jandl, Franz Innerhofer, Josef Winkler und Gernot Wolfgruber oder für den früh verstorbenen Werner Schwab. (1)

 

Eine Würdigung dieser besonderen literarischen Strömung stellte nicht zuletzt 2004 die Auszeichnung Elfriede Jelineks mit dem Literaturnobelpreis dar.

 

Das Ende des Barocks

Einen ergänzenden Kontrast dazu stellte eine als barock zu bezeichnende Traditionslinie dar, die in den 1950er- und 1960er-Jahren in den monumentalen Romanen Heimito von Doderers und Albert Paris Güterslohs ihren Höhe- und Endpunkt fand. Der Kulturdiplomat Peter Marginter („Der Baron und die Fische“, 1966), der Vorarlberger Max Riccabona („Bauelemente zur Tragikomödie des x-fachen Dr. von Halbgreyffer oder Protokolle einer progressivsten Halbbildungsinfektion“, 1980), der Romancier und Theaterdichter Gert Jonke sowie der Lyriker und Übersetzer Hans Carl Artmann mit einem weitgefächerten Werk führten dieses Erbe auf jeweils ganz eigenständige, vertrackt-artistische Art und Weise fort.

 

Erzählen und Erfolge

Abgelöst wurde dies durch die Generation von zwischen 1960 und 1990 geborenen Autorinnen und Autoren, die dezidiert erzählen wollen: jenseits von Heimatbeschimpfung, Misanthropie und Sprachexperiment.(2) Sie tun dies, angeregt durch das Studium und die Lektüre internationaler Literatur, ambitioniert und der greifbaren Wirklichkeit zugewandt.

 

Selbst wenn sich die akademische Literaturwissenschaft über den allerersten Schritt in Richtung einer österreichischen Literaturgeschichte den Kopf zerbrechen mag – gibt es überhaupt so etwas Spezifisches wie österreichische Literatur, was macht sie besonders, und wie ist sie gegenüber der deutschen abzugrenzen und überhaupt territorial einzugrenzen (3) –, so ist österreichische Gegenwartsliteratur innerhalb der deutschsprachigen mittlerweile entscheidend positiv abgehoben von west- und ostdeutschem Literaturschaffen.

 

Das Fundament hierfür legten die vom Suhrkamp Verlag – früher Frankfurt am Main, seit 2010 Berlin – betreuten Autoren Thomas Bernhard und Peter Handke. Letzterer arbeitet ebenso hartnäckig und von äußeren Moden unbeirrbar wie der Kärntner Josef Winkler und die 1924 geborene Friederike Mayröcker an einem herausragenden, einzigartigen, intensiv eine Handvoll Motive umkreisenden vielbändigen Gesamtwerk. So wie dies auch der 2006 verstorbene Salzburger Gerhard Amanshauser oder Werner Kofler (1947-2011) aus Villach taten.

 

Ihnen folgten nicht wenige AutorInnen nach, die im deutschsprachigen Raum inzwischen zu den medial wie kommerziell erfolgreichen, weithin bekannten und mit vielen renommierten Preisen Ausgezeichneten gehören: von Daniel Kehlmann über Wolf Haas, Paulus Hochgatterer und Christoph Ransmayr bis zum Hohenemser Michael Köhlmeier, dem in Leipzig lehrenden Josef Haslinger, Kurt Palm oder Ernst Hackl.

 

In Hackls zeithistorischen, teils dokumentarischen Romanen finden sich ebenso wie in den Arbeiten von Marlene Streeruwitz und Robert Menasse, Gustav Ernst, Margit Schreiner, Ludwig Laher und Martin Pollack, der auch als angesehener Übersetzer und Vermittler mittelosteuropäischer Literatur tätig ist, dezidierte politische Haltungen und Stellungnahmen zur Welt.

 

Verlage

Deutsche Verlage halten inzwischen gezielt Ausschau nach aufstrebenden jüngeren Autorinnen und Autoren. Michael Stavarič und Clemens J. Setz, Milena Michiko Flasar und Cornelia Travnicek, Barbara Aschenwald und Clemens Berger, Melitta Breznik, Barbara Frischmuth, Michael Donhauser, Raoul Schrott und Arno Geiger, Thomas Glavinic und Doris Knecht, Thomas Raab und Heinrich Steinfest, Eva Menasse, Julya Rabinowich, Teresa Präauer und Kathrin Röggla, Karl-Markus Gauß, Norbert Gstrein und Maja Haderlap, Robert Schindel und Gerhard Roth, Franz Schuh, Vladimir Vertlib und Walter Kappacher stehen bei bedeutenden deutschen Verlagshäusern oder bei zu deutschen Konzernen gehörenden, in Österreich situierten Imprints (Zsolnay, Deuticke) unter Vertrag. Die 1988 geborene Vea Kaiser aus St. Pölten debütierte 2012 überaus erfolgreich mit ihrem Roman „Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam“ im Kölner Kiepenheuer & Witsch Verlag, der verlegerischen Heimat von Heinrich Böll, Joseph Roth, E. L. Doctorow und Saul Bellow. Andere wie Janko Ferk, Ulrike Schmitzer oder Antonio Fian, Alois Brandstetter, Thomas Stangl und Christoph W. Bauer halten den österreichischen Verlagshäusern (Droschl, Haymon, Edition Atelier), die sie entdeckt und gefördert haben, die Treue.
 

Feste und Förderung

Das Literaturland Österreich zeichnet eine Vielzahl von Literaturfestivals aus, vom Burgenland („Literatur in Grün“ auf Schloss Deutschkreutz) über die Wachau („Europäische Literaturtage“ in Spitz an der Donau) bis Tirol („Sprachsalz“ in Hall), die Auftritte auch für Literatinnen und Literaten abseits des Mainstreams bieten, etwa für Poetry Slammer wie Markus Köhle und Mieze Medusa.

 

Zum anderen gibt es einen verglichen mit Deutschland qualitativ überdurchschnittlich starken Nachwuchs, der mittlerweile medial auch in den Nachbarländern für Aufsehen und breite Berichterstattung sorgt. In jüngster Zeit erlebten dies etwa Anna Weidenholzer, geboren 1984, deren Zweitling „Der Winter tut den Fischen gut“ (2012) für den angesehenen Preis der Leipziger Buchmesse 2013 nominiert war, die 1987 geborene Cornelia Travnicek mit „Chucks“ (3. Auflage 2012) und Valerie Fritsch („Die Welt ist meine Innerei“, 2012), Jahrgang 1989. Die Förderung ganz junger Autorinnen und Autoren verdankt sich maßgeblich der staatlicherseits nachhaltig gepflegten, reichhaltigen, dabei zumeist kleinteiligen Verlagsszene zwischen Oberwart, Wels und Hohenems, die ihr Augenmerk auf aufstrebende Talente richtet.

 

Anmerkungen

(1) Hellmut Gollner: Die Rache der Sprache. Hässlichkeit als Form des Kulturwiderstands in der österreichischen Gegenwartsliteratur, Innsbruck 2009.

(2) Andreas Breitenstein: Die Erzählbarkeit der Ehe, in: Neue Zürcher Zeitung, 9. Februar 2010.

(3) Karl Vocelka schrieb von Österreich als „inkonsistentem Untersuchungsgebiet“, siehe dazu: Karl-Markus Gauß: Durch vermintes Gelände, in: Neue Zürcher Zeitung, 7. September 2013. Die neueste Darstellung stammt von Karl Zeyringer und Hellmut Gollner: Eine Literaturgeschichte Österreichs seit 1650, Innsbruck 2013.

Gegenwartsliteratur aus Österreich ist so vielfältig wie selten zuvor und zugleich so erfolgreich und nachgefragt wie kaum zuvor. Internationalisierung, Regionalisierung und Professionalisierung kennzeichnen die jüngste literarische Produktion.

AutorIn: 
Alexander Kluy

Umsatz mit E-Books

Der Anteil von E-Books am Gesamtumsatz ist im deutschsprachigen Raum im Wachsen, aber derzeit noch immer gering. 2012 haben E-Books in Deutschland laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2,4 Prozent zum Buchumsatz des Publikumsmarktes beigesteuert, 2011 lag der Umsatzanteil noch bei 0,8 Prozent – immerhin eine Verdreifachung des Umsatzvolumens. Dasselbe gilt für das Titelvolumen: 2011 wurden 4,3 Millionen E-Books verkauft, 2012 waren es 13,2 Millionen. 53 Prozent der deutschen Verlage führten E-Books im Programm.

 

Im gesamten deutschsprachigen Raum belief sich der Anteil der E-Books an den Verkaufszahlen gemäß E-Book-Studie des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels 2011 auf 1 Million Euro.

 

Während der deutschsprachige E-Book-Markt noch deutliches Entwicklungspotenzial birgt, hat er in den USA bereits eine gewisse Sättigung erreicht. Seit Ende 2012 liegt der Anteil verkaufter E-Books nach Angaben der „Book Industry Study Group“ bei 30 Prozent der verkauften Bücher, was laut „Publishers Weekly“ einem Umsatzanteil von 14 Prozent entspricht.

 

Nutzung und Nichtnutzung

Laut einer Studie des Technologieverbandes BITKOM vom Oktober 2013 liest ein Fünftel der Deutschen elektronische Bücher. Neben dem Kauf etablieren sich Entlehnmodelle – sowohl Angebote von Bibliotheken als auch kommerzieller Anbieter. Nach der ACTA-Studie des Instituts für Demoskopie Allenbach ebenfalls vom Oktober 2013 sind jedoch erst 8 Prozent der Deutschen E-Book-NutzerInnen. Und in einer Umfrage von deals.com und Ipsos bewertete jede/r Vierte E-Books und E-Reader als zu teuer. Das Marktforschungsinstitut GfK hat erhoben, dass der optimale Preis für E-Books aus Konsumentensicht 40 Prozent unter dem Preis des gedruckten Buches läge.

 

E-Reader versus Tablets

Gemäß BITKOM-Umfrage wird Digitales immer noch am häufigsten am Computer gelesen: 77 Prozent nutzen PC oder Laptop. 58 Prozent lesen am Smartphone, erst dann folgen Tablet (21 Prozent) und E-Reader (18 Prozent).

 

Für die Zukunft zeigen diverse Untersuchungen und Prognosen, dass die multimedial nutzbaren und immer günstigeren Tablets den reinen Lesegeräten den Rang ablaufen werden. E-Reader werden zunehmend zum Nischenprodukt für VielleserInnen – sind also durchaus weiterhin interessant für die NutzerInnen von Bibliotheken.

 

„Mehr Evolution als Revolution“: So beschreibt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Entwicklung des E-Book-Marktes in Deutschland, und so lässt sich die Situation im gesamten deutschsprachigen Raum charakterisieren. Die wichtigsten Zahlen und Fakten im Überblick.

AutorIn: 
Simone Kremsberger

PISA (Programme for International Student Assessment) wurde in den Jahren 1996/97 von der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) ins Leben gerufen, um die Effektivität der Schulsysteme in den Mitgliedsstaaten zu erheben. Die bei PISA gewonnenen Daten dienen den Bildungsverantwortlichen in den Teilnehmerländern als Basis für Steuerungsentscheidungen. Die zentrale Fragestellung von PISA ist dabei, wie gut es den unterschiedlichen Schulsystemen gelingt, die SchülerInnen auf die Herausforderungen der Zukunft und das „lebenslange Lernen“ vorzubereiten.

 

PISA: Ziele und Inhalte

Um dies festzustellen, werden die Kompetenzen der SchülerInnen im Alter von 15/16 Jahren – das entspricht in den meisten Ländern dem Ende der Pflichtschulzeit – alle drei Jahre in drei zentralen Bereichen gemessen: Lesen, Mathematik und Naturwissenschaft. Die PISA-Aufgaben erfassen, inwieweit SchülerInnen in der Lage sind, alltagsrelevante Probleme effektiv zu lösen, ihre Lösungen zu begründen und darzulegen. Zusätzlich zu den Tests beantworten die Jugendlichen einen Fragebogen zu wichtigen Hintergrundmerkmalen, die in Zusammenhang mit den gemessenen Leistungen stehen, wie z. B. zu Geschlecht, Beruf und Ausbildung der Eltern, Geburtsland und Muttersprache der SchülerInnen, aber auch Fragen zu Einstellungen, Motivation und Unterricht. Auch für SchulleiterInnen gibt es einen Fragebogen zu wichtigen Einflussfaktoren auf Schulebene (z. B. Schul- und Unterrichtsressourcen, Angebote für SchülerInnen, Managementaufgaben der Schulleitung etc.).

 

Im Mittelpunkt von PISA 2012 stand die Mathematikkompetenz der Jugendlichen. Die Lesekompetenz wurde – so wie die Naturwissenschaftskompetenz – mit je ca. einem Viertel der Aufgaben als Nebendomäne erfasst. Lesen wurde bei PISA 2009 und 2000 schwerpunktmäßig erfasst.

 

Weltweit absolvierten im Jahr 2012 rund 480.000 SchülerInnen in 65 Ländern (34 OECD- und 31 Partnerländer) den PISA-Test. In Österreich wurden 4755 zufällig ausgewählte SchülerInnen des Jahrgangs 1996 in einer repräsentativen Stichprobe aus 191 Schulen aller Schultypen getestet.

 

Lesekompetenz im Vergleich

Lesekompetenz wird bei PISA folgendermaßen definiert: „Lesefähigkeit bedeutet, geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen, über sie zu reflektieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.“ (1)

 

Lesekompetenz dient demnach als Grundlage für den Erwerb von Wissen und für eine erfolgreiche Teilhabe an der Gesellschaft – ganz im Sinne des lebenslangen Lernens. Bei den Leseaufgaben steht das sinnerfassende Lesen im Vordergrund: Die SchülerInnen müssen zeigen, dass sie Informationen in einem Text auffinden können, einen Text als Ganzes verstehen und über dessen Inhalt und/oder dessen Form reflektieren können.

 

Österreichs SchülerInnen erzielen bei PISA 2012 in Lesen einen Mittelwert von 490 Punkten und liegen damit knapp, aber signifikant unter dem OECD-Durchschnitt von 496. In 12 Ländern erreichen die Jugendlichen ähnliche Leseleistungen wie in Österreich, darunter die drei Nachbarländer die Tschechische Republik (493 Punkte), Italien (490 Punkte) und Ungarn (488 Punkte). SchülerInnen in Deutschland (508 Punkte) und der Schweiz (509 Punkte) zeigen im Schnitt signifikant bessere Leistungen als Österreichs 15-/16-Jährige.

 

Die besten Leseleistungen innerhalb der OECD erbringen Jugendliche in Japan (538 Punkte) und Korea (536 Punkte). Finnland liegt als bestes europäisches Land mit einem Mittelwert von 524 Punkten an dritter Stelle.

 

In Österreich zeigt sich bei PISA 2012 in Lesen eine starke Verbesserung um 20 Punkte gegenüber PISA 2009, womit die Ergebnisse wieder ähnlich sind wie in den Erhebungsjahren zuvor.

 

Die drei Leseprozesse

Für die Erhebungsjahre, in denen Lesen schwerpunktmäßig (mit ca. der Hälfte der Aufgaben) erfasst wurde (PISA 2009 und 2000), können drei zentrale Leseprozesse analysiert werden: So zeigen Österreichs SchülerInnen bei PISA 2009 beim „Ermitteln von Informationen“ (477 Punkte) eine relative Stärke. Beim „Kombinieren und Interpretieren“ (471 Punkte) – die SchülerInnen müssen dabei zeigen, dass sie den Text als Ganzes verstehen und eine einfache Interpretation vornehmen – sind die Leistungen etwas geringer. Eine besondere Schwachstelle in Lesen zeigt sich bei PISA 2009 beim „Reflektieren und Bewerten“ von Inhalten oder der Struktur eines Textes (463 Punkte). Von PISA 2000 auf 2009 gingen die Österreich-Ergebnisse bei allen drei Leseprozessen deutlich zurück, wobei die Veränderungen von unterschiedlicher Stärke sind. Besonders groß war der Leistungsrückgang beim „Reflektieren und Bewerten“ (–33 Punkte), gefolgt vom „Interpretieren“ (–22 Punkte). Hingegen war der Rückgang beim „Ermitteln von Informationen“ mit –10 Punkten eher gering, womit die österreichischen Jugendlichen 2009 bei diesem Prozess am leistungsstärksten sind.

 

Spitzen- und RisikoschülerInnen

Zusätzlich zur Darstellung der Mittelwerte ist es bei PISA möglich, SchülerInnen auf Basis ihrer Testergebnisse bestimmten Kompetenzstufen zuzuordnen, die inhaltlich durch die entsprechenden Aufgaben beschrieben werden. In Lesen werden seit PISA 2009 sieben Kompetenzstufen unterschieden (Stufe 1b, 1a, 2, 3, 4, 5, 6). SchülerInnen auf den höchsten Stufen 5 und 6 sind in der Lage, mehrfache Schlussfolgerungen zu ziehen, detaillierte und präzise Vergleiche anzustellen und Gegensätze zu erfassen. Sie werden zur „Spitzengruppe“ in Lesen zusammengefasst. SchülerInnen auf den untersten Stufen 1a und 1b können hingegen nur die einfachsten Aufgaben lösen, wie zum Beispiel eine oder mehrere voneinander unabhängige Informationen aus einem einfachen Text in vertrautem Kontext heraussuchen.

 

SchülerInnen, die auch diese einfachsten Aufgaben nicht mehrheitlich lösen können, befinden sich unter Level 1b. Gemeinsam mit jenen der Stufen 1b und 1a bilden sie die Lese-Risikogruppe. Diese RisikoschülerInnen können gegen Ende der Pflichtschulzeit nur unzureichend sinnerfassend lesen und laufen dadurch Gefahr, in ihrem privaten und gesellschaftlichen Leben sowie beim selbstständigen Bildungserwerb erheblich beeinträchtigt zu werden. Auch der Eintritt in den Arbeitsmarkt könnte für diese SchülerInnen schwierig werden.

 

In Österreich gehören 20 Prozent der SchülerInnen am Ende der Pflichtschulzeit zur Lese-Risikogruppe. Das bedeutet, dass eine/r von fünf Jugendlichen einfache Leseaufgaben nicht routinemäßig lösen kann. Im OECD-Schnitt gehören 18 Prozent der 15-/16-Jährigen zur Lese-Risikogruppe. Die kleinsten Lese-Risikogruppen gibt es in Korea (8 Prozent), Estland (9 Prozent), Irland (9 Prozent) und Japan (10 Prozent). Im Vergleich zu vorhergehenden PISA-Ergebnissen ist die Größe der Lese-Risikogruppe in Österreich mit der Ausnahme von PISA 2009 (28 Prozent) relativ konstant geblieben (Minimum 19 Prozent bei PISA 2000, Maximum 21 Prozent bei PISA 2003 und 2006 bzw. 28 Prozent bei PISA 2009).

 

Rund 6 Prozent der österreichischen 15-/16-Jährigen zählen am Ende der Pflichtschulzeit zur Lese-Spitzengruppe. Dies ist etwas weniger als im OECD-Schnitt (8 Prozent). Mit knapp 9 Prozent weisen die Nachbarländer Schweiz und Deutschland etwas größere Spitzengruppen als Österreich auf. Alle anderen Nachbarländer liegen etwa im Bereich von Österreich. Die größte Lese-Spitzengruppe verzeichnet Japan mit 19 Prozent. Gegenüber PISA 2009 (5 Prozent) ist das österreichische Ergebnis nahezu unverändert, von PISA 2000 (7 Prozent) bis 2006 (9 Prozent) sind kleine Zuwächse zu verzeichnen.

 

Weitere Leseergebnisse auf einen Blick

Mädchen schneiden in allen OECD-Ländern bei allen bisherigen PISA-Erhebungen beim Lesen deutlich besser ab als Burschen und haben auch einen geringeren Anteil an RisikoschülerInnen.

 

PISA 2009 zeigte eine eher geringe Lesemotivation der österreichischen Jugendlichen: Gut die Hälfte der SchülerInnen gibt an, nie zum Vergnügen zu lesen. Vergleicht man die Lesedauer verschiedener Lesemedien, kristallisieren sich Zeitungen und Zeitschriften sowie Lesen von E-Mails oder Online-Nachrichten, Chatten sowie Suchen nach Informationen im Internet als bevorzugte Leseaktivitäten heraus.

 

Der Zusammenhang der Leseleistungen mit dem familiären Hintergrund der SchülerInnen ist zu allen Erhebungszeitpunkten deutlich erkennbar. Österreich gehört hierbei zu jenen Ländern, in denen dieser besonders stark ausgeprägt ist.

 

Anmerkungen:

(1) OECD, 2013, S. 61; Übersetzung: BIFIE

Nach dem schlechten Abschneiden der österreichischen SchülerInnen in Lesen bei PISA 2009 zeigt sich bei PISA 2012 eine deutliche Verbesserung. Trotzdem liegen die Leseergebnisse weiterhin signifikant unter dem OECD-Mittel. 20 Prozent der 15-/16-Jährigen haben Schwierigkeiten beim sinnerfassenden Lesen – gegenüber 28 Prozent bei PISA 2009.

AutorIn: 
Ursula Schwantner und Claudia Schreiner

Wie viele Bücher gibt es im Elternhaus?

Eine aus der Perspektive von Büchereien interessante Information aus der PISA-Studie sind die Schülerangaben zur Anzahl der daheim vorhandenen Bücher. Diese beziehen sich auf alle im Haushalt befindlichen Bücher, nicht ausschließlich auf jene, die den Jugendlichen selbst gehören. 14 Prozent der österreichischen 15-/16-Jährigen geben in der PISA-Studie 2012 an, bei ihnen zuhause gebe es maximal 10 Bücher. Weitere 17 Prozent machen Angaben zwischen 11 und 25. Fast ein Drittel der betroffenen Haushalte verfügt über 26 bis 100 Bücher. 39 Prozent der SchülerInnen geben an, über 100 Bücher zu Hause zu haben. Nur 9 Prozent (in den 39 Prozent mitgezählt) verfügen über mehr als 500 Bücher.

 

Das bedeutet, dass mehr als die Hälfte der SchülerInnen (61 Prozent) in Haushalten lebt, in denen maximal 100 Bücher insgesamt zur Auswahl stehen. Dieser Anteil hat gegenüber PISA 2000 (55 Prozent) leicht zugenommen, wobei vor allem die Veränderung bei den Angaben zu maximal 10 Büchern daheim (von 9 Prozent auf 14 Prozent) zum Tragen kommt. Dementsprechend ist der Anteil an Jugendlichen, die daheim auf mehr als 100 Bücher zurückgreifen können, zwischen PISA 2000 und 2012 von 45 Prozent auf 39 Prozent zurückgegangen. Vergleicht man die Angaben der Schüler/innen zur Anzahl an Büchern zuhause zwischen PISA 2009 und 2012, so sind diese fast unverändert geblieben.

 

Sozioökonomischer Status

Ein wichtiges Ziel von Bildungssystemen besteht darin, allen Schülerinnen und Schülern gleiche Chancen zu bieten – möglichst unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Chancengerechtigkeit ist dabei umso höher, je geringer die Leistungsdifferenzen zwischen sozial begünstigten und benachteiligten Jugendlichen sind. Der sozioökonomische Status der Familie, aus der die Jugendlichen stammen, wird bei PISA über den Beruf der Eltern mittels Schülerfragebogen erhoben und kombiniert Informationen über Beruf, Bildung (Schul- und Berufsbildung) und Einkommen. In allen Ländern beeinflusst der sozioökonomische Status die Leistungen der Kinder. Die Stärke des Zusammenhangs unterscheidet sich aber im Ländervergleich stark.

 

In Finnland z. B. hängen die Leistungen der Jugendlichen verhältnismäßig wenig vom sozioökonomischen Status der Familie ab, wobei die Jugendlichen insgesamt höhere Leistungen erreichen – relativ unabhängig vom sozioökonomischen Hintergrund. In Österreich hat der sozioökonomische Status einen großen Einfluss auf die Leseleistungen – bei insgesamt geringerem Leistungsniveau. Ähnliches zeigt sich in der Tschechischen Republik und in Slowenien. In Deutschland, Ungarn und in der Slowakischen Republik ist der Einfluss noch etwas stärker.

 

Bildung der Eltern

Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor auf Schülerleistungen ist die Bildung der Eltern. Auch hier zeigt sich für Österreich, dass die Leistungen der Jugendlichen mit zunehmendem Bildungsniveau der Eltern steigen. In Lesen erreichen Jugendliche, deren Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss haben, im Schnitt um 106 Punkte weniger als jene, deren Eltern einen tertiären Abschluss (Universität, Pädagogische oder Sozialakademie oder sonstige tertiäre Qualifikation) haben. Die Differenz ist dabei von 120 Punkten bei PISA 2009 auf 106 Punkte bei PISA 2012 gesunken, sie ist aber immer noch bedeutend hoch.

Die PISA-Studie erhebt unter anderem, inwieweit das Elternhaus und andere Faktoren wie der sozioökonomische Status oder das Bildungsniveau der Eltern die Lesekompetenz der Jugendlichen beeinflussen.

AutorIn: 
Claudia Schreiner und Ursula Schwantner

Der Vorsprung der Mädchen beträgt bei PISA 2012 in Österreich 37 Punkte. Die höhere Leseleistung der Mädchen bedeutet auch, dass deutlich weniger Mädchen zur Lese-Risikogruppe zählen: 13 Prozent der Mädchen und 26 Prozent der Burschen gehören in Österreich zur Lese-Risikogruppe.

 

Im Rahmen des Leseschwerpunkts bei PISA 2009 wurden die SchülerInnen u. a. zu ihrer Lesefreude und ihren Lesegewohnheiten befragt. Beim Ergebnis sind vor allem die großen Geschlechtsdifferenzen auffallend: Österreichs Mädchen haben mehr Freude am Lesen, nutzen häufiger unterschiedliche Lesematerialien und lesen auch öfter zum Vergnügen als ihre männlichen Kollegen.

 

Lesen als Vergnügen?

Im Rahmen der Befragung zur Lesemotivation und den Lesegewohnheiten bei PISA 2009 gaben 61 Prozent der österreichischen Burschen an, niemals in der Freizeit zum Vergnügen zu lesen, bei den Mädchen waren es 39 Prozent (insgesamt in Österreich: 50 Prozent). Im Durchschnitt aller OECD-Länder lesen „nur“ 37 Prozent der SchülerInnen nicht zum Vergnügen. Bei PISA 2000 war der Anteil an Jugendlichen in Österreich, die nicht zum Vergnügen lesen, bereits ähnlich hoch (44 Prozent gesamt, 31 Prozent Mädchen und 55 Prozent Burschen). 

 

Etwas mehr als ein Drittel der österreichischen Jugendlichen gab bei PISA 2009 an, maximal eine Stunde zu lesen und lediglich 12 Prozent sagten, mehr als eine Stunde täglich zum Vergnügen zu lesen. Lesefreude und Lesezeit hängen auch eng mit der Lesekompetenz zusammen: Kompetente LeserInnen empfinden mehr Freude am Lesen und lesen häufiger in ihrer Freizeit zum Vergnügen als jene mit geringerer Kompetenz, wobei anzunehmen ist, dass die Beeinflussung wechselseitig erfolgt.

 

Mädchen greifen zu Romanen, Burschen zu Sachbüchern und Comics

Bezüglich der Nutzung unterschiedlicher Lesematerialien (Tageszeitungen, Zeitschriften, Comics, Romane, Sachbücher; Befragung im Rahmen des Leseschwerpunktes bei PISA 2009) liegen Österreichs SchülerInnen im Durchschnitt: Sie nutzen also die Medienvielfalt ähnlich wie die Altersgenossinnen und -genossen in den meisten OECD-Staaten. Am beliebtesten sind Tageszeitungen (82 Prozent zumindest mehrmals im Monat) und Zeitschriften (66 Prozent zumindest mehrmals im Monat), und das bei Mädchen und Burschen gleichermaßen. Romane, Sachbücher und Comics werden von den 15-/16-Jährigen weniger gelesen, wobei Mädchen im Vergleich zu Burschen öfter zu Romanen greifen, während Sachbücher und Comics häufiger von Burschen gelesen werden. Im Vergleich zu PISA 2000 sind die Angaben der SchülerInnen zur Nutzung unterschiedlicher Lesematerialien bei PISA 2009 sehr ähnlich.

 

Online lesen!

Mit Online-Leseaktivitäten (diese wurden im Rahmen des Leseschwerpunktes bei PISA 2009 erstmals dezidiert abgefragt) wie dem Lesen von E-Mails oder Online-Nachrichten, Chatten sowie dem Suchen nach Informationen im Internet beschäftigen sich mehr als drei Viertel der Jugendlichen in Österreich regelmäßig (mehrmals im Monat oder öfter), Mädchen und Burschen sind dabei ähnlich aktiv.

Mädchen schneiden bei allen bisherigen PISA-Erhebungen in allen OECD-Ländern beim Lesen deutlich besser ab als Burschen. Auch bezüglich Lesemotivation liegen die Mädchen deutlich vorne – wie aus dem Leseschwerpunkt 2009 hervorgeht.

AutorIn: 
Claudia Schreiner und Ursula Schwantner

Bücher sind flexibel. Man kann sie fast überall hinbringen und lesen. Diesen Umstand sollten Bibliotheken nutzen, um ihre Bücher und ihr Angebot auch außerhalb ihrer Räumlichkeiten zu präsentieren und auf diese Weise Menschen zu einem Bibliotheksbesuch zu motivieren. Kooperationen mit PartnerInnen speziell außerhalb des Kultursektors scheinen auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnlich, können aber durchaus erfolgversprechend sein.

 

Kooperationen im Gesundheitsbereich

Partnerschaften mit Institutionen im Gesundheitsbereich sprechen vor allem jene Menschen an, welche (vorübergehend) nicht in der Lage sind, eine Bibliothek zu besuchen. Eine Zusammenarbeit mit Krankenanstalten oder Seniorenheimen, die keine eigene Bibliothek haben, bietet die Möglichkeit, PatientInnen oder SeniorInnen mit Büchern zu versorgen. Ein mobiler Ausleihservice kann gewährleisten, dass alle LeserInnen Zugang zum Buchangebot haben.

 

Buchausstellungen in Ambulanzen oder Besuchszimmern sprechen neben PatientInnen beispielsweise auch Menschen an, die sich nicht in stationärer Behandlung befinden.

 

Angelehnt an die Aktion „Bookstart“ in Großbritannien, bei der Eltern beim Gesundheitscheck ihres Kindes altersgerechte Bücher geschenkt bekommen, ist es auch für österreichische Bibliotheken eine Option, gemeinsam mit Arztpraxen oder Hebammenzentren ähnliche Initiativen zu starten. In Wien wurde in Zusammenarbeit mit den Büchereien Wien ein vergleichbares Projekt ins Leben gerufen. Die MitarbeiterInnen der Magistratsabteilung 11 überreichen kostenlose Wickelrucksäcke an Eltern von Neugeborenen. Diese enthalten neben Babykleidung, Pflegeprodukten und Nahrung eine Karte mit Kirangolini-Terminen, die Broschüre „Buchstart“ und eine Leselatte.

 

Kooperationen im Vereinsbereich

Bibliotheken haben zahlreiche Optionen, um Partnerschaften mit Vereinen einzugehen. So können zum Beispiel gemeinsam mit dem Alpenverein oder den Pfadfindern Lese- und Literaturwanderungen organisiert oder für einen Vortrag des Sportvereins Bücher zur Verfügung gestellt werden. Potentielle Partner für eine Zusammenarbeit sind Gesangs-, Musik- oder Sportvereine, Gruppen im kirchlichen Bereich oder Seniorentreffs. Die Bibliothek kann den Vereinen auch anbieten, Veranstaltungen in ihren eigenen Räumlichkeiten abzuhalten, zum Beispiel Vorträge, Workshops oder wöchentliche Treffen.

 

Kooperationen im Rahmen von Veranstaltungen

Veranstaltungen bieten immer einen guten Rahmen, um sich als Bibliothek zu präsentieren und den BesucherInnen das Medienangebot näher zu bringen. Je nachdem, um welche Veranstaltung es sich handelt, können die Präsentation und die Bücher darauf abgestimmt werden. Vorschläge für solche Veranstaltungen sind zum Beispiel Weihnachtsmärkte, Volksfeste, Sportveranstaltungen oder Geschäftseröffnungen.

 

Kooperationen mit Geschäften und Institutionen im Ort

Speziell in kleineren Gemeinden oder Städten können Partnerschaften mit lokalen Geschäften und Institutionen eingegangen werden. Ein Büchertisch im Kaffeehaus, ein speziell gestaltetes Schaufenster oder Flyer in Geschäften bringen Menschen das ganze Jahr über mit Büchern und der Bibliothek in Kontakt. Darüber hinaus ist es denkbar, zu speziellen Anlässen oder saisonabhängig zu kooperieren. So kann es zum Beispiel im Frühling eine Bücherkiste im Park geben, welche im Sommer ins Schwimmbad verlegt wird. Auch Hotels oder Pensionen sind gut geeignet, um speziell TouristInnen mit dem Angebot der Bibliothek vertraut zu machen und um diese zu motivieren, vielleicht während ihres Urlaubes ein Buch auszuleihen.

Bibliotheken können auch unkonventionelle Wege einschlagen, um LeserInnen zu gewinnen. Mit KooperationspartnerInnen außerhalb des Kultursektors erschließen sich viele Möglichkeiten, um eine Bibliothek ins Gespräch zu bringen.

AutorIn: 
Victoria Tatzreiter

Die bildungspolitische Kernbotschaft der PISA-Studie lautet: Immer noch geht ein beträchtlicher Anteil an Kindern und Jugendlichen leer aus, wenn es um die Verteilung einer entscheidenden "Eintrittskarte" ins Leben geht – der Kulturtechnik Lesen, der unentbehrlichen Schlüsselqualifikation und Voraussetzung für den lebenslangen Bildungserwerb, gerade in Zeiten der digitalen Medien. Während laut Studien – wie der JIM-Studie zum Informations- und Medienverhalten von Jugendlichen oder der KIM-Studie zum Stellenwert von Medien im Alltag von Kindern des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest – der Fernseh-, Computer- und Internetkonsum mit dem Alter steigt, nimmt das Freizeitlesen bei Kindern ab zehn Jahren ab: Durchschnittlich maximal 30 Minuten lesen Kinder in diesem Alter täglich außerhalb der Schule Bücher oder Zeitschriften.


Leseknick und Lesekrise

Denn gerade zwischen zehn und zwölf Jahren kommt es oft zum "Leseknick" oder zur "literarischen Lesekrise" – es verändern sich die Lesestoffe, die Häufigkeit des Lesens und auch die Medien, die dafür genutzt werden. Vor allem das Leseverhalten von Mädchen und Buben driftet auseinander und sie entwickeln sich zu Leserinnen und Lesern mit unterschiedlichen Vorlieben weiter. Oft sind es die Buben, die vor allem sachbezogen lesen oder zu Nichtlesern werden. Häufig sind es die Mädchen, die zurück zum intimen, ästhetischen Lesen gehen.

 

Lesen wird in diesem Alter oft als "lästige Pflicht" und (schulische) Arbeit empfunden, in der (Vor-)Pubertät gewinnen zudem andere Themen an Attraktivität. Lesemotivation hängt jetzt auch stark mit dem persönlichen Umfeld zusammen: Welche Medien stehen in der Familie zur Verfügung? Was lesen die Freundinnen und Freunde? Wie ist das Leseklima an der Schule? Welche Angebote gibt es in der örtlichen Bibliothek? Aus diesen positiven oder negativen Erfahrungen ergibt sich, welchen Stellenwert das Lesen weiterhin einnimmt.
 

Bandbreite an Lesestoffen und Medien

Schulische und außerschulische Leseförderung in Bibliotheken etc. muss darum mit vielfältigen Methoden und Zugängen versuchen, für Kinder dieses Alters weiterhin erlebbar zu machen, dass die Beschäftigung mit Sprache, mit Texten aller Art Spaß macht und sinnvoll ist. Dabei darf sie sich nicht nur auf das Buchlesen und auf erzählende Literatur beschränken – vielmehr sollte die gesamte Bandbreite an Lesestoffen und Medien genutzt werden. Sach-/Wissenschaftsbücher, Graphic Novels (Comicromane), Lesematerialien des Alltags (Prospekte, Kataloge, Bedienungsanleitungen …), Hörbücher, Lernsoftware (z. B."„Antolin"), Inhalte aus dem Internet oder Elemente der Kinderpopkultur wie Bücher zu TV-Serien, Musik- oder Fan-Zeitschriften stellen eine willkommene Ergänzung dar. Zeitungen (z. B. "Kleine Kinderzeitung") und Zeitschriften (z. B. "Geolino") nehmen die Scheu vor langen Texten und eröffnen die Möglichkeit, sich mit komplexen Themen auseinanderzusetzen und Orientierung in der Welt der Information zu finden. Zu vielen Büchern gibt es mittlerweile Apps für das Smartphone oder den Tablet-PC (z. B. aus dem Oetinger oder Carlsen Verlag) sowie dazugehörige Websites mit Aufgabenstellungen, die die Brücke von traditionellen zu digitalen Medien spannen.

 

Leseförderung für Kinder ab zehn Jahren muss somit verschiedene Medien, Textarten und Lesestrategien im Blick haben, keinesfalls sollten gedruckte und digitale Medien gegeneinander ausgespielt werden – elektronische Medien unterstützen gegebenenfalls sogar die Lesemotivation.
 

Passende Angebote und Projekte

Darüber hinaus sind alle um Leseförderung Bemühten – Öffentliche Bibliotheken, Schulbibliotheken, Eltern, LehrerInnen/PädagogInnen, Leseinitiativen etc. – besonders gefragt, die Heranwachsenden durch entsprechende, auch geschlechtssensible (!) Angebote wie

  • Medienkompetenz-Workshops oder Schreibwerkstätten, die so auch die sprachliche Ausdrucksfähigkeit fördern,
  • Begegnungen mit AutorInnen, die eine klassische Lesung mit einem Workshop verbinden und so leseanimatorisch wirken
  • oder "Do it yourself"-Comic-/Manga-Zeichenworkshops

weiterhin fürs Lesen zu begeistern und so einer Entwicklung zu absoluten NichtleserInnen vorzubeugen.

 

Ebenso bieten sich Projekte an, die Sachthemen aus der Lebens- und Interessenswelt der Kinder aufgreifen. Um schwache LeserInnen zu fördern, sollte deren Lesemotivation geklärt werden. Stehen sie dem Lesen grundsätzlich positiv gegenüber, können sie dem Lesen etwas Nützliches abgewinnen? Die Lesemotivation zu heben kann dadurch gelingen, dass Kinder einfache Texte erhalten, die ihrem Leseniveau und vor allem ihren inhaltlichen Interessen entsprechen, z. B. Informationstexte, aus denen ein gegenstandsbezogener Leseanreiz und Nutzen entstehen kann. Besonders gut geeignet zur Leseförderung von schwachen LeserInnen ist außerdem das "embedded reading". Dabei werden den Kindern Aufträge gegeben, zu deren Durchführung das Lesen unterschiedlicher Textformen sowie das Schreiben eigener Texte erforderlich sind. Da diesen Projekten nicht von vornherein "Leseförderung" als (Teil-)Ziel zugeschrieben wird, werden bei schwächeren LeserInnen weniger Versagensängste aktiviert.

 

Um die Leselust auch in dieser Phase der Lesesozialisation zu erhalten und zu fördern, ist in jedem Fall ein Anknüpfen an die individuellen Interessenslagen der Kinder unumgänglich – Lesevorlieben sind unterschiedlich! Nicht jedes Kind findet den Zugang zu Fantasyromanen oder Büchern mit geschichtlichem Hintergrund, nicht jeder Bub mag nur Sachbücher, und man kann auch nicht alle Mädchen für Pferdebücher begeistern.

 

Weiterführende Literatur

  • Andrea Bertschi-Kaufmann (Hrsg.): Lesekompetenz – Leseleistung – Leseförderung. Grundlagen, Modelle und Materialien. Klett und Balmer Verlag 2010.
  • Katrin Müller-Walde: Warum Jungen nicht mehr lesen – und wie wir das ändern können. Campus Verlag 2010.
  • Maik Philipp: Lesesozialisation in Kindheit und Jugend. Lesemotivation, Leseverhalten und Lesekompetenz in Familie, Schule und Peer-Beziehungen. Kohlhammer Verlag 2011.

Im Übergang zur Pubertät kommt es bei Kindern oft zum "Leseknick". Um das Lesen und die Lust an der Literatur weiterhin zu fördern, ist eine große Bandbreite an Lesestoffen und – gedruckten wie digitalen – Medien gefragt. Passende Angebote und Projekte können die Lesemotivation wieder steigern.

AutorIn: 
Verena Gangl
Thema des Monats Teaser: 

Zwischen zehn und zwölf Jahren kommt es häufig zur "Lesekrise". Um die Freude am Lesen weiter zu fördern, sollte der Umgang mit Sprache und Texten möglichst umfassend gewährleistet sein und vom gedruckten Buch über das Internet bis hin zum Angebot von TV-Serien und Filmen reichen.

Lesen ist ein Schlüssel zur Literatur, und Lesen ist ein Schlüssel zur Welt. Wer Informationen suchen, finden, verstehen will, wer an Gesellschaft, Kultur und Arbeitsleben aktiv teilhaben will, ist mit guter Lesekompetenz ausgestattet klar im Vorteil.

 

Lesestudien zeigen Defizite

Lesenkönnen ist allerdings keine Selbstverständlichkeit. Internationale Vergleichsstudien wie PIRLS und PISA zeigen, dass viele Kinder und Jugendliche in Österreich große Defizite beim Lesen aufweisen: 15 von 29 Teilnehmerländern der Volkschulstudie PIRLS (4. Schulstufe) schneiden im Lesen signifikant besser ab als Österreich. Die in PISA 2012 erhobenen Leseleistungen der 15-/16-jährigen SchülerInnen liegen unter dem OECD-Schnitt. 20 Prozent gelten als „RisikoschülerInnen“, die gegen Ende der Pflichtschulzeit nur unzureichend sinnerfassend lesen können. Beim Lesen elektronischer Medien (Internet, E-Mails, Chats etc.) zeigen die SchülerInnen noch niedrigere Kompetenzen als bei gedruckten – dabei wird die Fähigkeit, elektronische Medien sinnerfassend lesen zu können, sowohl im schulischen und beruflichen als auch im privaten Bereich immer wichtiger.

 

Doch auch den Erwachsenen wird in Sachen Lesekompetenz kein gutes Zeugnis ausgestellt: Anlässlich der in 24 Ländern durchgeführten OECD-Studie "Programme for the International Assessment of Adult Competencies" (PIAAC 2011/12) erhob Statistik Austria erstmals Daten über Schlüsselkompetenzen bei österreichischen Erwachsenen. Demnach liegt die Lesekompetenz in Österreich – wie bereits bei PISA – unter dem OECD-Durchschnitt. 8,4% der ÖsterreicherInnen erreichen die höchsten Stufen der Lesekompetenz – ihr Anteil liegt signifikant unter dem Durchschnitt aller teilnehmenden OECD-Länder (11,8%). 17,1%, also fast eine Million Menschen, verfügen über nur niedrige Lesekompetenz und sind dadurch mit möglichen Benachteiligungen im Beruf und Alltag konfrontiert.

 

Hobby Lesen?

Lesen rangiert nicht unter den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen, wie die Zeitverwendungserhebung 2008/09 der Statistik Austria zeigt: An einem durchschnittlichen Werktag verbringen Österreicherinnen und Österreicher ab 10 Jahren im Durchschnitt 14 Minuten mit dem Lesen von Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften, am Wochenende sind es 18 Minuten. Zum Vergleich: Für Fernsehen und DVD-Schauen werden täglich 111 bzw. am Wochenende 144 Minuten aufgewendet. Auch unter Jugendlichen hält sich die Lesemotivation laut dem Nationalen Bildungsbericht 2012 in Grenzen: Nur 27 Prozent der 15-/16-Jährigen zählen Lesen zu ihren liebsten Hobbys. Für mehr als ein Drittel ist Lesen Zeitverschwendung.

 

Ein optimistischeres Bild zeichnet die Kids-Verbraucheranalyse 2013, die im Auftrag des Egmont Ehapa Verlags erstellt wurde. Demnach greifen 81 Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 13 Jahren in ihrer Freizeit mindestens einmal wöchentlich zu einem Buch, 10 Prozent lesen auch elektronische Bücher. 82 Prozent lesen mindestens einmal in der Woche Zeitschriften und 75 Prozent Kindermagazine. Auch 81 Prozent der 4- bis 5-Jährigen nutzen einmal wöchentlich Bücher oder lassen sich vorlesen.

 

Um die Lesekompetenz der jungen Generation zu fördern und zu steigern, ist es nötig, an der Lesemotivation anzusetzen, passende Angebote zu machen und Freude an Büchern zu vermitteln – hier können sich öffentliche Bibliotheken ins Spiel bringen.

 

Leseverhalten im Wandel

Eine weitere Herausforderung für Bibliotheken liegt darin, auf das veränderte Medien- und Leseverhalten ihrer Zielgruppe zu reagieren. Digitale Medien erfreuen sich bereits bei Kindern großer Beliebtheit. Laut Kids-Verbraucheranalyse haben 78 Prozent der 6- bis 13-Jährigen einen Computerzugang, die Hälfte der über 10-jährigen Internet-UserInnen ist fast täglich online. 10 Prozent der Kinder und Jugendlichen lesen elektronische Bücher.

 

Insgesamt spielen E-Books noch eine Nebenrolle in der Buchwelt, doch das elektronische Lesen gewinnt, wenn auch langsam, an Bedeutung. Schon Kinderbuchverlage experimentieren mit digitalen Formen, bieten E-Books und Bilderbuch-Apps an. Letztere können laut der Vorlesestudie 2012 der Wochenzeitung „Die Zeit“, der Deutschen Bahn und der Stiftung Lesen als Ergänzung zu gedruckten Medien wesentlich zur Leseförderung beitragen. Der aktuelle „Kids and Family Reading Report“ des US-Kinderbuchverlags Scholastic betont ebenfalls die Positivwirkung von E-Books. Demnach liest jedes fünfte Kind mehr, seit es auf das digitale Format umgestiegen ist. Dass elektronische Angebote die Lesemotivation steigern können, besagt auch der Trendbericht Kinder- und Jugendbuch, der von der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen, dem Arbeitskreis für Jugendliteratur, der Stiftung Lesen und dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels auf der Leipziger Buchmesse 2013 vorgestellt wurde.

 

Doch E-Reading ist für alle Altersgruppen interessant: Laut einer Umfrage des Hightech-Verbandes BITKOM vom März 2013 liest bereits ein Fünftel der Deutschen ab 14 lieber E-Books als gedruckte Bücher, wobei besonders die jüngere und mittlere Altersgruppe das elektronische Buch bevorzugt. Älteren Menschen fällt das Lesen auf einem Tablet-PC hinsichtlich des kognitiven Aufwands sogar leichter, ergab eine Lesestudie unter Federführung von WissenschaftlerInnen der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Für öffentliche Bibliotheken ist es daher von entscheidender Bedeutung, das veränderte Medienverhalten widerzuspiegeln und ihren Leserinnen und Lesern mit entsprechenden Angeboten und Know-how entgegenzukommen.

Lesen ist eine Basiskompetenz und eine Grundlage für die Teilhabe an der Gesellschaft. Viele Kinder und Jugendliche in Österreich haben allerdings große Defizite beim Lesen – auch beim digitalen Lesen, das immer mehr an Bedeutung zunimmt. Öffentliche Bibliotheken spielen daher eine wichtige Rolle bei der Förderung von Lesekompetenz und Leselust.

AutorIn: 
Simone Kremsberger
Thema des Monats Teaser: 

Studien wie PIRLS, PISA oder PIACC beschäftigen sich mit dem Leseverhalten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Derzeit werden LeserInnen jeden Alters große Defizite beim sinnerfassenden Lesen bescheinigt. Öffentliche Bibliotheken können bei der Förderung von Lesekompetenz und Leselust  eine wichtige Rolle spielen.

Öffentliche Bibliotheken stehen heutzutage in vielerlei Hinsicht vor großen Herausforderungen. Aber für sie eröffnet sich auch eine einmalige Chance. Wie kaum eine andere Institution können sie dazu beitragen, gesellschaftliche Unterschiede auszugleichen und Konflikten entgegenzusteuern. 

 

Öffentliche Bibliotheken stellen für alle BürgerInnen ein breites und vielfältiges Medien- und Veranstaltungsangebot bereit. Dessen Spannbreite reicht von der Hoch- bis zur Populärkultur und umfasst Literatur ebenso wie Zeitschriften, audiovisuelle Medien und Spiele.

 

Das Bereitstellen von Literatur ist aber nach wie vor eine der Hauptaufgaben öffentlicher Bibliotheken. Als lokale Literaturvermittler sind sie die wichtigsten Literaturversorger ohne kommerzielle Interessen vor Ort. So ermöglichen sie Kindern und Erwachsenen einen lustbetonten Zugang zur Buch- und Medienkultur und unterstützen die Entwicklung der Lesefähigkeit und der Medienkompetenz. Mit Erfolg: Während allgemein die Zahl der BuchleserInnen in Österreich sinkt, können die öffentlichen Bibliotheken stetig wachsende Leserzahlen verzeichnen.

 

Erfolg mit Leseförderung

Vor allem im traditionellen Bereich der Leseförderung und Leseanimation sind Bibliotheken stark: Es gibt kaum eine öffentliche Bibliothek, die nicht Veranstaltungen für Kinder anbietet. Der Kreativität der BibliothekarInnen scheinen hierbei (außer in finanzieller Hinsicht) keine Grenzen gesetzt zu sein, das Spektrum der Veranstaltungen ist breit. Über Lesenächte, Ferienspiele, Bilderbuchkinos, Spielenachmittage oder Lesungen mit prominenten AutorInnen erreichen die Bibliotheken – oft in Kooperation mit Schulen oder Kindergärten – am leichtesten Presse und Öffentlichkeit.

 

Bibliotheksarbeit für Kinder und Jugendliche ist aus der Kulturarbeit der österreichischen Gemeinden nicht wegzudenken, Leseförderung ohne den Einsatz der öffentlichen Bibliotheken nicht leistbar. Aber auch die öffentlichen Bibliotheken profitieren von der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, und speziell kleinere Büchereien auf dem Land erhalten hierdurch erst ihre Existenzberechtigung: Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist damit für öffentliche Bibliotheken sowohl gesellschaftspolitischer Auftrag als auch gesellschaftspolitische Legitimation.

 

Kinderbibliotheksarbeit als Chance und Herausforderung

Und: Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Österreichs öffentlichen Bibliotheken ist offensichtlich eine Erfolgsstory. Tatsächlich erreicht keine andere außerschulische Bildungseinrichtung derart viele Kinder. Vor grenzenloser Euphorie und Jubel sei jedoch gewarnt: Ist der dominierende Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Gesamtleserschaft ausschließlich ein Beleg für die großartige Arbeit, die die öffentlichen Bibliotheken auf diesem Sektor leisten, oder nicht auch ein Zeichen, dass sie auf anderen Gebieten ihren Aufgaben bei Weitem nicht so erfolgreich nachkommen? Zeigt nicht der Verlust an jugendlichen LeserInnen, der bei steigenden Altersgruppen an Dynamik und Dramatik gewinnt, dass öffentliche Bibliotheken nicht in der Lage sind, ihre Klientel an sich zu binden? Sind die Erfolge angesichts der Umwälzungen am Mediensektor und der damit verbundenen steigenden Vielseitigkeit der Benutzerwünsche in einer multimedialen Gesellschaft überhaupt haltbar? Und vor allem: Wie kann es gelingen, in Zeiten zunehmender Einsparungen den Kindern und Jugendlichen in öffentlichen Bibliotheken auch in Zukunft ein attraktives Medien- und Veranstaltungsangebot zu ermöglichen?

 

Gerade in der Vermittlungsarbeit für Kinder und Jugendliche haben sich die öffentlichen Bibliotheken großen Herausforderungen zu stellen. Neben einem alters- und zielgruppenadäquaten Medien- und Informationsangebot im kindgerecht adaptierten Bibliotheksraum ist neben der fachlichen mehr denn je auch die soziale Kompetenz der BibliothekarInnen gefragt. Vor allem in den Städten nehmen das soziale Gefälle und die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu – hier haben BibliothekarInnen mit entsprechenden Angeboten zu reagieren. Die Anforderungen an die öffentliche Bibliothek als Bildungsinstitution steigen. Mit den vorwissenschaftlichen Arbeiten für SchülerInnen kommt eine neue Herausforderung auf die Bibliotheken zu.

Österreich verfügt über ein flächendeckendes Netz von Bibliotheken. In einer zunehmend von Spannungen geprägten Gesellschaft garantieren öffentliche Bibliotheken allen BürgerInnen – unabhängig von Bildung, Herkunft und Alter – den freien Zugang zu kulturellem Wissen und zu kulturellen Aktivitäten. 

AutorIn: 
Gerald Leitner und Silke Rabus
Thema des Monats Teaser: 

Österreich verfügt über ein flächendeckendes Netz von Bibliotheken. Sie garantieren in einer zunehmend von Spannungen geprägten Gesellschaft allen BürgerInnen – unabhängig von Bildung, Herkunft und Alter – den freien Zugang zu kulturellem Wissen und zu kulturellen Aktivitäten. 

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