„boys & books“ ist ein Verein, der sich speziell mit der Leseförderung von Buben befasst. Die Expertinnen und Experten der Jury wählen die besten Titel in vier Alterskategorien (8+ 10+ 12+ 14+).

 

Leseförderung für junge männliche Leser kann sich mitunter als herausfordernde Aufgabe gestalten. Mit zunehmendem Alter sinkt das Interesse an Büchern. Um diesem Trend entgegenzuwirken, befasst sich der Verein „boys & books“ gezielt mit der Leseförderung für Buben und will diese zum Lesen motivieren.

 

„Wer ist dieses Wesen mit schrecklichen Klauen / und schrecklichen Zähnen, um Tiere zu kauen?“ (1) Die Ehre des finalen furchteinflößenden Auftrittes in diesen Text über Monsterfiguren in Bilderbüchern gebührt einem allein, dem Grüffelo. Mit „knotigen Knien“, einer „grässlichen Tatze“ und „vorn im Gesicht einer giftigen Warze“ (2) tritt er zwischen den Bäumen hervor, um der Maus buchstäblich das Fürchten zu lernen. Deren gewiefte Strategien sind mit dieser Begegnung einmal mehr gefordert. Waren es davor noch „reale“ Fressfeinde wie Fuchs, Eule und Schlange, so gilt es jetzt, der wahr gewordenen Imagination des denkbar furchtbarsten Monsters entgegen zu gehen. Mit der Maus wird eine Identifikationsfigur geboten, wir dürfen während des Leseprozesses gemeinsam mit der kleinen Protagonistin zittern, Ängste überwinden und am Ende des bestandenen Abenteuers ein paar Nüsse knacken.

 

„monstrare“ = auf etwas hinweisen

Guido van Genechten wählt einen sehr viel direkteren aber nicht minder vergnüglichen Weg der Monsterangstbekämpfung. „Das nächste Monster fängt nämlich fürchterlich an zu schreien, sobald du die Seite umblätterst. Na, traust du dich?“ (3) Unaufhörlich wird hier ein lesendes Du angesprochen, auf- und herausgefordert. „Zeig’s ihm. Schrei laut zurück. Lauter!“ (4) Seite für Seite entwickelt sich diese Geschichte zur gruseligen Mutprobe, zwischendurch werden Ausstiegsszenarien angeboten. „Traust du dich weiter? Du kannst auch jetzt aufhören, ich verrate es niemandem … (5) Wer sich bis zu Endes des Bilderbuches voran tastet, wird zum Schluss mit einer Tapferkeitsurkunde geehrt. Mutiges Durchhalten lohnt also auf jeden Fall! Über die große Bedeutung dieses Harrens bis zum (bitteren) Ende, können übrigens auch die beiden Geschwister in John Fardells „Der Tag, an dem Louis gefressen wurde“ ein Lied singen. Denn Louis wird wirklich von einem Monster gefressen. (Und zwar nicht nur von einem, um genau zu sein.) Zur Rettung aus dem Monstermagen kommt es dank seiner tapferen Schwester Sarah, die erstens ruhig bleibt, zweitens über das Fress- und Kauverhalten jener Monsterart Bescheid weiß („Sie wusste, das Schluckster ihre Beute normalerweise an einem Stück verschlingen.“ (6)) und drittens unglaublich flink und ausdauernd dem Monster mit dem Bruder im Bauch hinterherradelt.

 

Schenkt man der Herkunft der Worte „Monstrum“ bzw. „Monster“ Beachtung, werden zwei Hinweise auf die Verben „monere“, lateinisch für „mahnen“, sowie „monstrare“, „auf etwas hinweisen“, bedeutsam. – Wollen Monsterfiguren Identifikationsfiguren mahnen? Sie auf etwas hinweisen? Auf die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit persönlichen Ängsten vielleicht? So könnte auch Mehrdad Zaeris Mini-Keller-Monster in „Als Oma immer kleiner wurde“ gelesen werden. Inka Pabsts Text erzählt hier folgende Situation: „Manchmal gehe ich mit Oma in den Keller, um Kohlen für den Ofen heraufzuholen. Zum Glück ist Oma ja groß und fürchtet sich nicht im Kohlenkeller.“ (7) Die Illustration zeigt die Großmutter Kohle schaufelnd, dabei huckepack ein Mädchen tragend. Dessen Blick wendet sich in die Richtung des Kohlenberges, worauf ein Monster sitzt. Gerade durch die Nicht-Erwähnung im Text wird das Interesse auf diese Figur gelenkt, welche dem Mädchen direkt in die Augen blickt und ihm zuwinkt, während die Großmutter nichts ahnend schaufelt. Sieht das Kind hier seiner eigenen Angst in die Augen? Der Angst vor dunklen Kellerräumen? Oder der Angst davor, die Großmutter zu verlieren?

 

Wenn die Phantasie einen Streich spielt

Wie der Keller so ist auch der (nächtlich) dunkle Wald ein in der Literatur bewährter Ort für die, mittels furchteinflößender Figuren symbolisch in den Außenraum verlagerten, Ängste der dort agierenden Figuren. Der Hase Simon aus der Feder Stephanie Blakes ist übrigens nur deswegen des Nachts draußen unterwegs, weil sein kleiner Bruder Franz das Schmusetuch vergessen hat und ohne dieses nicht schlafen kann. Tapfer geht Simon dorthin zurück, wo die Brüder bei Tag gespielt haben und findet das Schmusetuch. Am Heimweg spielt ihm seine Phantasie bzw. die dann doch aufkommende Ängstlichkeit einen Streich: „Hat sich da etwas bewegt? Da, ganz nah in der schwarzen Nacht? Und als er sich umdreht … sieht er ein riesen mega giga MONSTER, das in fressen will.“ (8) Oder ist das Monster etwa echt? In jedem Fall dient es Simon, nach erfolgreichem Davonrennen und glücklicher Ankunft im Familienhaus, dazu dem Bruder den Rest der Nacht von seinem Abenteuer zu erzählen. Stephanie Blake inszeniert die Monsterfigur als eine in Wort und Bild sichtbar gemachte als auch wahr gewordene Phantasie Simons. Also eines Monsters, das im Sinne seiner eigenen Wortbedeutung auf das Innenleben des Protagonisten hinweist(!), jedoch im literarischen Außenraum Wald sichtbar wütet. (8)

 

Auf die kunstvoll sowie geschickt dargebotene Verschmelzung einer Monsterfigur mit dem sie umgebenden, völlig schwarzen Handlungsraum setzt Edouard Manceaus in der „Der wilde Watz“. Das hier im Text angesprochene Du ist das Monster selbst. „Huh! Du willst mich fressen, mit Haut und Haar, du WILDER WATZ! Aber du machst mir keine Angst! Ich kitzle dich an deinen Hörnern …“ (9) Wie bei Guido van Genechten ist für die Überwindung der Monsterangst auch eine aktive Teilhabe der Lesenden ausschlaggebend. Manceau lässt das Monster darüber hinaus – so zu sagen von der Geschichte selbst – in seine Einzelteile zerlegen bzw. dekonstruieren. Farbflächen, also konkrete Bestandteile der Illustrationen, werden nach und nach zu den Handlungsraum darstellende Requisiten. Die Füße des Monsters sind Bäumen, nachdem wir es gekitzelt haben, der Hals ein Haus und die Hörner bilden sich zum Halbmond. Ja, jetzt macht der durchgängig flächig schwarze Hintergrund richtig Sinn! Denn ein listiger Streich voll der Phantasie wie dieser, kann nur in solch einer dunkelschwarzen Nacht gelingen!

 

(1), (2) Axel Scheffler/Julia Donaldson: Der Grüffelo. Aus dem Engl. v. Monika Osberghaus. Weinheim: Beltz & Gelberg 1999.

(3), (4), (5) Guido van Genechten: Hier gibt’s Monster. Aus dem Niederl. v. Meike Blatnik. Berlin: Annette Betz 2017.

(6) John Fardell: Der Tag, an dem Louis gefressen wurde. Aus dem Engl. v. Bettina Münch. 5. Aufl. Frankfurt am Main: Moritz 2016.

(7) Inka Pabst/Mehrdad Zaeri: Als Oma immer kleiner wurde. München: Tulipan 2017.

(8) An dieser Stelle sei auf ein weiteres bedeutsames Werk zum Thema verweisen: Maurice Sendak: Wo die wilden Kerle wohnen. Aus dem Amerik. v. Claudia Schmölders. Zürich: Diogenes 1967.

(9) Stephanie Blake: Nein, tein heia! Aus dem Franz. v. Tobias Scheffel. Frankfurt am Main: Moritz 2017.

(10) Edouard Manceau: Der wilde Watz. Aus dem Franz. v. Markus Weber. Frankfurt am Main: Moritz 2017.

Wenn Monster durch Bilderbücher wüten, ist oftmals eine große Portion Unerschrockenheit gefragt. Durchhaltevermögen, List und eventuell auch ein gewisser Hang zum Sarkastischen können ebenso von Nutzen sein, um unbeschadet monströsen Figuren entgegenzutreten.

AutorIn: 
Andrea Kromoser

Die deutsche Bibliothek Wildau sichert sich den 1. Innovationspreis für Bibliotheken in Berlin und Brandenburg mit dem Projekt „Leseförderung mit handlichen humanoiden Robotern“.

 

Die Bibliothek darf sich über ein Preisgeld von 10.000 Euro freuen. Der in Zusammenarbeit mit der der TH Wildau entwickelte Roboter soll zur Bildung eines Tandems von kindlicher Vorleserin/kindlichem Vorleser und nichtmenschlichem Partner dienen, um Kinder beim Lesen lernen zu motivieren und zu unterstützen.

 

Zu wenig, zu spät – so könnte man die Ergebnisse der Vorlesestudie der Stiftung Lesen, der Wochenzeitung „Die Zeit“ und der Deutschen Bahn Stiftung zusammenfassen. 55 % aller Eltern lesen ihren Kindern in den ersten zwölf Monaten nicht regelmäßig vor. Für 28 % der Familien trifft das sogar innerhalb der ersten drei Jahre zu.

 

Im Rahmen der Studie wurden insgesamt 523 Eltern von Kindern zwischen 3 und 39 Monaten befragt (128 Interviews mit Vätern und 395 Interviews mit Müttern), die eine Vielzahl wichtiger Erkenntnis zu Tage förderte.

 

NEWSLETTER 11/2017

Der Newsletter „Wir lesen!“ erscheint monatlich und enthält News, Hintergrundberichte, Videos und Fortbildungsangebote rund ums Lesen. Nachzulesen sind außerdem praxisnahe Ideen für die Literaturvermittlung.

 

Am Freitag, den 17. November 2017, findet österreichweit der große Vorlesetag statt. Bibliotheken, Kindergärten, Schulen und andere Leseförderungsinstitutionen sind herzlich zur Beteiligung eingeladen und auch VorlesepatInnen sind gesucht.

 

Ein Tag ganz im Zeichen des Vorlesens, das haben sich die Organisatorinnen zur Aufgabe gemacht. Das Vorlesen ist wichtig für die Entwicklung der kindlichen Lesekompetenz und ist daher besonders förderungswürdig. Der Vorlesetag ist eine Initiative der Facultas Verlags- und Buchhandels AG. 

 

Wenn sich Menschen zum Vorlesen treffen, einander im Internet Bücher vorschlagen oder junge Lesende eifrig Stempel in ihren Sommerlesepässen sammeln, dann wird das „stille Lesen“ zu einem gemeinsamen Erlebnis. Klassische Formen des sozialen Lesens existieren heute neben und kombiniert mit sozialen Medien oder Phänomenen wie der Besprechung gelesener Bücher auf Portalen wie „Goodreads“ oder „LovelyBooks“. Bibliotheken, Privatpersonen, Vereine und Geschäftsleute setzen eine große Bandbreite an Initiativen mit dem Ziel, mehr Menschen zum Lesen oder zu einem anderen, gemeinschaftlichen Leseerlebnis zu bringen.

 

Aktionen für Klein und Groß

Eine der klassischen Aktivitäten ist ein Sommerleseklub. In fast jedem Bundesland gibt es ein übergreifendes Programm für öffentliche Büchereien. Wilma Schneller, Leiterin der Bibliothek Altach und Organisatorin der Vorarlberger Aktion, erzählt, dass das „Sommerlesen“ so gut ankommt, dass 2017 bereits die 2. Auflage der Lesepässe ausgegeben werden musste. Inspiriert von Aktionen einzelner Bibliotheken befindet sich das „Sommerlesen“ im 6. Jahr. In Altach selbst wurden letztes Jahr 350 Lesepässe retourniert. Auch Kinder im Vorlesealter sowie vor- und selbst lesende Erwachsene können teilnehmen. Das Land Vorarlberg startete dieses Jahr in Bregenz und Dornbirn einen Sommelesekalender als Pilotprojekt an den öffentlichen Schulen.

Aktionen, die Kinder und Betreuungspersonen gemeinsam einbinden, befördern soziales Lesen auch für Erwachsene. Dazu zählen Tanzpartys für Kleinkinder, Vorlesestunden oder Veranstaltungen wie die „Lesekuschelzeit“ der Bücherei Weiz, wo Kniereiter, Fingerspiele, Lieder, Fühl- und Pappbücher gemeinsam ausprobiert werden. Ebenfalls an die gesamte Familie richten sich der „Berliner Lesetroll“ oder die davon inspirierten, vom „Wiener Bücherschmaus“ entwickelten „Bücher auf Rädern“, bei denen ein Rollkoffer mit Büchern, Hörbüchern und Spielen in einer Klasse oder Kindergartengruppe von Kind zu Kind wandert und von der ganzen Familie gustiert werden kann und soll. Ähnliche Angebote machen Bibliotheken.



Lesekreise in neuen Formen

Gemeinschaftliche Leseangebote gibt es auch für Erwachsene und in originellen Formaten. In der Zweigstelle Margareten der Büchereien Wien wird seit November 2016 einmal im Monat die „Buch Masche“ veranstaltet, eine lockere Strickrunde, bei der sich die Teilnehmenden gegenseitig Bücher vorstellen. Die Idee zu der Veranstaltung hatte eine Leserin, die die Runde nun koordiniert. „Die Menschen wollen selbst aktiv sein,“ sagt Eva Catty, die Leiterin der Zweigstelle. Jedes Mal kommen zwischen zehn und fünfzehn Personen verschiedener Altersgruppen, die Veranstaltung wird in der Bezirkszeitung und in den Zeitungen „Falter“ und „Augustin“ angekündigt. Im Sommer findet sie auf der Terrasse der Bücherei statt, wo im Herbst außerdem ein Urban-Gardening-Projekt mit Schulklassen lanciert wird.

Aus England kommen die sogenannten „Shared Reading“-Lesekreise. Unter der Anleitung speziell ausgebildeter Freiwilliger von der Organisation „The Reader“ lesen Menschen in kleinen Gruppen Bücher, Texte, Gedichte vor und sprechen über ihre unmittelbaren Eindrücke. Gegründet wurde „The Reader“ von Jane Davis mit der Absicht, vereinsamten Menschen wieder soziale Anknüpfungspunkte zu geben. Motiviert durch die guten Ergebnisse, findet „Shared Reading“ auch für Kinder und Betreuungspersonen, in Kliniken, in Gefängnissen und zur Förderung des sozialen Zusammenhalts in Firmen statt. Carsten Sommerfeldt und Thomas Böhm von den „Literarischen Unternehmungen“ haben nun im Sinn, „Shared Reading“ im deutschen Sprachraum zu verbreiten.

 

Lesezirkel im Internet

Der klassische Lesekreis findet seinen Platz auch im Internet, zum Beispiel der von der Schweizer Bibliothekarin Seraina Scherer 2011 gegründete Twitterlesezirkel, an dem jeden Monat jeweils zwischen 8 und 20 Personen aktiv teilnehmen. Scherer wählt die Titel mit besonderem Augenmerk auf Schweizer Literatur aus. Blog und Twitteraccount verwaltet sie mit dem IT-Fachmann Patrick Seemann. Gemeinsam wird gelesen und unter dem Hashtag #lesezirkel bis zu einem jeweils kollektiv ausgemachten Zeitpunkt kommentiert, danach ein Fazit gezogen. Auch viele Promis wie die Schauspielerinnen Emma Watson und Reese Witherspoon laden breitenwirksam zu Leseklubs im Internet und verleihen dem Austausch über Bücher Glamour.

Aktiv sind die Lesenden auch unter dem Hashtag #frauenlesen, der von der Filmjournalistin Magdalena Miedl am 8. März 2016, dem Internationalen Frauentag, lanciert wurde. Dort werden alte und neue Bücher, Gedichtbände, Graphic Novels von Autorinnen vorgestellt und viele Teilnehmende beschlossen, ein Jahr lang nur Autorinnen zu lesen.

Diese und andere Formen der „Reading Challenge“, bei der eine Leseaufgabe alleine oder gemeinsam bewältigt wird, finden sich zuhauf. Anne Süßkraut und Yvonne Jäschke von der Stadtbibliothek Salzgitter stellen ihre „Reading Challenge“ auf dem Blog der Stadtbibliothek vor – mit Aufforderungen wie „Lies ein Buch, in dem ständig von einem anderen Buch die Rede ist“ oder „ein Buch mit einer Pflanze im Titel“. Die beiden berichten laufend auf dem Blog, wie viele Titel sie schon geschafft haben. Die Teilnehmenden können mitkommentieren.

 

Offline und Online

Formen und Möglichkeiten des sozialen Lesens gibt es noch viele mehr. Für Bibliotheken stellt sich vor allem die Frage, welche wünschenswert und machbar sind unter den Aspekten schrumpfender Budgets, aber zunehmender Automatisierung. Hoher persönlicher Einsatz, Wagemut, Rückschläge – mit all dem ist zu rechnen. Aber ein Ausbau der Anbindung an die lokale Gemeinschaft und eine Beteiligung der Öffentlichkeit an den Vorgängen und am Raum der Bibliothek lohnen sich. Das Internet ist dabei keine Konkurrenz, sondern Inspiration, Verstärkung und Unterstützung.

 

Zum (sozialen) Weiterlesen

Dieser Artikel erschien erstmals in den „Büchereiperspektiven 3/17“.

Lesekreise sind ein Klassiker der Leseförderung, die auf sozialen Austausch setzen und in unterschiedlichen Formen immer neu an Beliebtheit gewinnen.

AutorIn: 
Anna Zschokke

Seiten