Sprachenvielfalt fördern

Von regelmäßigen Vorlesestunden bis hin zu einem mehrsprachigen Bilderbuchangebot offerieren Bibliotheken ein breites Angebot, um die Sprachenvielfalt von Kindern und Jugendlichen zu fördern.

AutorIn: 
Gilda Petzold


Sprachenvielfalt in Österreich

In Österreich werden rund 250 verschiedene Sprachen gesprochen. Die Sprachen, die neben Deutsch am häufigsten gesprochen werden, sind Bosnisch-Serbisch-Kroatisch, Albanisch, Türkisch, Rumänisch und Polnisch. Nach Angaben des Österreichischen Integrationsfonds sind in Österreich nicht selten auch Gespräche in Russisch, Tschetschenisch, Dari, Paschtu, Persisch, Arabisch, Kurdisch, Somali und Georgisch zu hören. Anfang 2012 lebten in Österreich über 1,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, das sind circa 19 Prozent. (1)

 

Sprach- und Leseförderung

Die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Sprach- und Leseförderung ist eine positive Atmosphäre, zu der die Wertschätzung und Anerkennung der Erstsprache eines Kindes beitragen kann. In Bibliotheken, Familien, Kindergärten und Schulen gibt es vielfältige Möglichkeiten für die Förderung der Sprach- und Lesekompetenzen von Kindern.

 

  • Regelmäßiges Vorlesen von Bilderbüchern und kurzen Geschichten gibt Kindern die Gelegenheit, in die Sprache reinzuhören, und bietet eine hervorragende Möglichkeit zur Erweiterung des Wortschatzes.
  • Das Vorlesen und Sprechen von Gedichten, Versen und Reimen schult das phonologische Bewusstsein, schafft Zugang zu Klang und Rhythmus einer Sprache und lädt zum Experimentieren mit Sprache ein. Auch das Singen von Kinderliedern eignet sich hier gut, zum Beispiel kann „Bruder Jakob“ in verschiedenen Sprachen gesungen werden.
  • Beim wiederholten Vorlesen von Märchen prägen sich Wörter und Wortgruppen ein. Märchen haben klare Strukturen und unterstützen Kinder beim Lernen von Ereignisabfolgen. Das Vorlesen von den Kindern aus ihrer Erstsprache bekannten Märchen erleichtert das Verstehen der Wortbedeutungen.
  • Dialogische Bilderbuchbetrachtung fördert kommunikative Fähigkeiten und das Denken über die Welt. Mit sogenannten offenen Fragen (keine „Ja“- und „Nein“-Antworten möglich) werden Kinder zum Sprechen angeregt und lernen, selbst Fragen zu stellen.
  • Zweisprachiges Vorlesen unterstützt das Verstehen des Inhaltes und signalisiert Respekt und Wertschätzung für die jeweiligen Sprachen. Es gibt inzwischen eine Reihe mehrsprachiger Kinderbücher. Wenn keine erstsprachigen Vorleserinnen und Vorleser zur Verfügung stehen, dann kann eventuell auf mehrsprachige Hörbücher zurückgegriffen werden.
  • Kleine Spracherkundungen können zum Beispiel der Frage nachgehen: Gibt es ähnlich klingende Wörter in unterschiedlichen Sprachen? Haben diese Wörter auch ähnliche Bedeutungen?
  • Fehlerhafte Sätze der Kinder werden indirekt korrigiert, indem die Sätze variiert und erweitert wiedergegeben werden.
  • Das Versprachlichen von Handlungen und Tätigkeiten, zum Beispiel: „Ich hole das Buch aus meiner Tasche und lege es auf den Tisch“, unterstützt bei der Wortschatzerweiterung und beim Erfassen grammatikalischer Strukturen.
  • Neue und unbekannte Wörter nicht losgelöst stehen lassen, sondern mit einem Kontext oder einer Situation verbinden, zum Beispiel Bilderbücher, Wortkarten, Memospiel.
  • Lesungen in mehreren Sprachen, zum Beispiel für Schulklassen, anbieten. Wenn möglich, Kinder und Jugendliche in das Lesen und die Organisation der Lesung einbeziehen.
  • Mehrsprachiges Vorlesen für die ganze Familie anbieten, sodass Kinder mit ihren Eltern oder Großeltern kommen können. Oder kleine Lesungen zum Beispiel in einem türkischen Café oder bosnischen Restaurant veranstalten. Dazu kann um Unterstützung bei Migrantenvereinen oder migrantischen Organisationen angefragt werden.
  • Auch mehrsprachige audiovisuelle Bücher, Zeitschriften und Nachschlagewerke für die jungen BibliotheksbesucherInnen bereithalten.

 

Mehrsprachigkeit als Bereicherung sichtbar machen

Mehrsprachigkeit weist auf eine Vielfalt von Sprachen hin. Diese Vielfalt sichtbar zu machen, kann ein Projekt in der Bibliothek mit dem Titel „Unsere mehrsprachige Bibliothek“ sein. Hier können Kinder und Jugendliche von Beginn an an der Planung beteiligt werden. Haben sie die Möglichkeit, ihre Primär- oder Lieblingssprachen einzubeziehen, kann sich das sehr motivierend auf ihre Beteiligung auswirken. Mehrsprachige Plakate, auch in Bosnisch, Türkisch, Persisch usw., zu ausgewählten Büchern und anderen Medien ziehen die Aufmerksamkeit vielsprachiger BesucherInnen auf sich.(2) In mehrsprachigen Leseklubs können sich Leserinnen und Leser in verschiedenen Sprachen über das Gelesene austauschen. Für Schulklassen sowie BibliotheksnutzerInnen kann eine interkulturelle, mehrsprachige Lernumgebung geschaffen werden, zum Beispiel durch das Aufstellen mehrsprachiger Medien und Wort-Bilder mit verschiedensprachigen Begriffen. Ein „Tag der Sprachen“ kann auf die Vielfalt der im Umfeld gesprochenen Sprachen hinweisen und neugierig machen.

 

Anmerkungen

(1) Quelle: migration&integration, zahlen.daten.indikatoren 2012

(2) Der Büchereiverband Österreichs stellt ein Plakat zum Download zur Verfügung, auf dem in über 25 Sprachen "Willkommen" gesagt wird. Unter dem Themenschwerpunkt "Grenzenlos lesen" auf www.bvoe.at kann es heruntergeladen werden: www.bvoe.at/themen/grenzenlos_lesen/willkommensplakat

 

 

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