E-Books und digitale Literatur

E-Books haben sich von einer bloßen Nachahmung gedruckter Bücher zu Medien mit echtem Mehrwert entwickelt. Die Digitalisierung hat sämtlichen Akteuren des Literaturbetriebs neue Spielräume eröffnet und zu einer Demokratisierung des Buchmarkts geführt.

AutorIn: 
Monika Reitprecht


Produkte mit dem Namen E-Book gibt es seit den 1950er Jahren. Diese Vorläufer hatten freilich wenig mit dem E-Book, das wir heute kennen, gemein. 1971 startete das Projekt Gutenberg mit dem Ziel, rechtefreie Literatur kostenlos in digitaler Form zur Verfügung zu stellen. Seit den 1990er Jahren erschienen vorerst primär wissenschaftliche Inhalte in digitaler Form. 1998 wurde auf der Frankfurter Buchmesse der erste E-Book-Reader, das Rocket-E-Book präsentiert. Seither haben sich die Geräte nicht zuletzt dank E-Ink (bzw. E-Paper) wesentlich weiterentwickelt.(1)

Das simulierte Buch (2)

Die Möglichkeiten elektronischer Lesegeräte und Bücher wurden (und werden) oft nicht ausgeschöpft. E-Reader und E-Books sind vielmehr in Aussehen, Bedienung und Terminologie dem haptischen Leseerlebnis nachempfunden. Auch die meisten originären Formen digitaler Literatur sind auf die klassische Textform konzentriert. Das gilt vor allem für mobile Textkulturen wie Twitter-Literatur (z. B. die Grimmepreis-gekrönten „Tiny Tales“ von Florian Meimberg(3)),SMS-Romane(4) und Handy-Books(5). Vor knapp zehn Jahren tauchten in den USA und Japan die ersten Blooks (Neologismus aus Book und Weblog) auf – im Prinzip analoge Bücher, die in Form eines Blogs publiziert werden. Seit 2011 bietet Amazon maximal 60 Seiten umfassende E-Texte an, die sogenannten Kindle Singles, die den verkürzten Aufmerksamkeitsspannen des digitalen Zeitalters und der Beschaffenheit mobiler Ausgabegeräte Rechnung tragen.(6)

 

Enhanced E-Books – Buch mit Mehrwert

Es setzt sich aber zunehmend die Überzeugung durch, dass E-Books einen Mehrwert gegenüber ihrem gedruckten Pendant aufweisen müssen, um langfristig Erfolg zu haben; man spricht in diesem Fall von Enhanced oder Enriched E-Books.(7) Der Mehrwert besteht in zusätzlichen Informationen über Werk und Autor, die natürlich auch multimedial und interaktiv gestaltet sein können (Fotos, Graphiken, Landkarten, Tondateien, Videosequenzen, Animationen etc.). Inhaltlich hat sich die Medienlogik der Digitalisierung bislang wenig niedergeschlagen. Vereinzelte Ausnahmen bestätigen die Regel – wie etwa die Liebesgeschichte „Chopsticks“, die nur als E-Book vollständig erfahren werden kann.(8)

 

2010 stellte der Autor Jürgen Neffe seinen Libroid vor, eine Software für digitale Lesegeräte, um „das Buch aus seiner papierenen Hülle zu lösen“, gleichzeitig aber das „Buchartige des entleibten Buchs zu bewahren.“(9) Quintessenz des Formats ist die Dreispaltentechnik – in der Mitte der nicht zu blätternde, sondern zu scrollende Text, in den beiden Randspalten zusätzliche Infos in Form von Fotos, Links, Karten etc. Die Leser können die Inhalte kommentieren und sich mit anderen darüber austauschen, womit auch Social Reading-Funktionen integriert sind.

 

Die Demokratisierung des Buchmarkts

Die Digitalisierung hat den Akteuren neue Spielräume eröffnet: AutorInnen sind bei der Publikation ihrer Texte nicht mehr notwendigerweise an einen Verlag gebunden. Dank Self Publishing kann jeder zu seinem eigenen Verleger werden. Der Großteil der auf diesem Weg publizierten Werke ist literarisch anspruchslos und bedient Genre-Fans: Es dominieren Fantasy, Liebe & Erotik und harte Thriller. Daneben gibt es allerdings auch bekannte AutorInnen, die aus künstlerischen Gründen den digitalen Eigenverlag wählen, wie etwa Elfriede Jelinek, die ihren Roman „Neid“ kapitelweise im Internet veröffentlichte.(10)

 

Internet-Literaturplattformen wie Autorenweb oder Leselupe bieten jedem die Möglichkeit, literarische Texte zu veröffentlichen, sich untereinander zu vernetzen und andere Texte zu kommentieren. Lovely Books oder Sascha Lobos sobooks sind die Lesezirkel des digitalen Zeitalters und nutzen alle Möglichkeiten, die Social Media heute bieten. Wenn der digitale Literaturbetrieb auch (noch?) durch fehlende Strukturen und Qualitätskontrollen gekennzeichnet sein mag, so lautet das positive Fazit doch: „Im Internet wird Literatur zum Breitensport.“(11)

 

Entwicklung des E-Book-Markts in Zahlen

In den USA erzielten E-Books 2012 ein Umsatzplus von über 44 Prozent, ihr Marktanteil betrug bereits 20 Prozent. Der deutschsprachige Markt hinkt noch hinterher, doch auch in Deutschland hat sich der Umsatzanteil von Belletristik-E-Books 2012 gegenüber dem Vorjahr auf 3 Prozent verdreifacht; 2013 betrug er bereits 6 Prozent, für 2017 wird der Marktanteil auf 16 Prozent geschätzt.(12) Der Verkauf von E-Book-Readern steigt aufgrund des großen Erfolgs von Tablet-PCs hingegen weniger stark als angenommen.(13) Die meisten Verlage haben inzwischen E-Books im Programm, 54 Prozent aller Neuerscheinungen werden als E-Books angeboten. Das gedruckte Buch ist allerdings nach wie vor gefragt, lediglich 7 Prozent der Deutschen erklärten 2013, dass sie künftig weitgehend oder ausschließlich E-Books lesen wollen.(14)

 

E-Books und Bibliotheken

Seit 2009 verleihen Öffentliche Bibliotheken in Österreich E-Books; die Nachfrage ist groß, die Downloadzahlen steigen kontinuierlich. Umso bedauerlicher ist es, dass die derzeitige Rechtslage die Bibliotheken bei der Entwicklung attraktiver E-Lending-Angebote massiv behindert. Es gibt im Bereich der digitalen Medien keine klaren urheberrechtlichen Bestimmungen; Bibliotheken können daher nicht uneingeschränkt E-Books kaufen, verleihen und an die AutorInnen eine Vergütung in Form der Bibliothekstantieme zahlen. Im Prinzip wird das E-Book-Angebot in Bibliotheken von Verlagen bestimmt, die sich auch weigern können, Lizenzen an Büchereien zu verkaufen. Der Büchereiverband Österreichs hat daher unter dem Motto Legalize it! eine österreichweite Informationskampagne gestartet, die „The right to e-read“ einfordert.

 

Anmerkungen:

(1) Wolfgang Straub: Die deutschsprachige Verlagsbranche und die digitalen Bücher, S. 156. In: Christine Grond-Rigler, Wolfgang Straub (Hg.): Literatur und Digitalisierung. De Gruyter, Berlin/Boston 2013.

(2) Christine Grond-Rigler: Der literarische Text als Buch und E-Book, S. 15. In: Christine Grond-Rigler, Wolfgang Straub (Hg.): Literatur und Digitalisierung. De Gruyter, Berlin/Boston 2013.
(3) https://twitter.com/tiny_tales
(4) http://derstandard.at/1292462439196/Nach-der-Mail-Romanze-nun-ein-SMS-Roman---Love-Story-kommt-aufs-Handy

(5) http://www.sueddeutsche.de/kultur/neuer-japanischer-trend-der-sms-roman-musse-im-sekundentakt-1.881796

(6) Ernst Fischer, Anke Vogel: Die digitale Revolution auf dem Buchmarkt, S. 136. In: Christine Grond-Rigler, Wolfgang Straub (Hg.): Literatur und Digitalisierung. De Gruyter, Berlin/Boston 2013.
(7) Ebd. S. 134.
(8) http://www.sueddeutsche.de/digital/netzdepeschen-die-naechste-stufe-der-e-book-revolution-1.1270447
(9) http://libroid.com/libroid/
(10) Wolfgang Straub: Die deutschsprachige Verlagsbranche und die digitalen Bücher, S. 159. In: Christine Grond-Rigler, Wolfgang Straub (Hg.): Literatur und Digitalisierung. De Gruyter, Berlin/Boston 2013.
(11) Gesine Boesken: Literaturplattformen, S. 41. In: Christine Grond-Rigler, Wolfgang Straub (Hg.): Literatur und Digitalisierung. De Gruyter, Berlin/Boston 2013.
(12) http://www.pwc.de/de/technologie-medien-und-telekommunikation/whitepaper_ebooks.jhtml
(13) http://www.bitkom.org/77489_77484.aspx
(14) http://www.boersenverein.de/de/438648

 

 

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