Klecksen, kleistern, kleben

Selbstgemachtes ist in aller Munde. Auch Bastel- und Kreativbücher für Kinder greifen Upcycling- sowie Do-It-Yourself-Trends auf und erweitern sie durch leicht verständliche Anleitungen und Anwendungsbereiche im Familienleben.

AutorIn: 
Andrea Kromoser


Von einem Kleiderbügel baumeln alte Haustürschlüsseln, Perlen und ein Tannenzapfen schmücken dieses Objekt. Trixi Schneefuß ermutigt dazu, dem „Wind ein eigenes Instrument zu bauen“(1). Ihr „Klimperspiel“ ist eine Aufforderung zum Experimentieren, Ausprobieren und Gestalten. Dabei entstehen vielfaltige Gebilde, Deko-Objekte für Kinderzimmer, Haus und Garten. Auch Sabine Lemire fädelt gerne schöne Dinge zu kleinen Kunstwerken. „Bohre mit der Ahle vorsichtig Löcher in die Muschelschalen. Binde die Muschelschalen und Perlen dann in kleinen Abständen an einer Schnur fest.“(2), so formuliert sie die Fertigungsschritte zur „Strandgirlande“. Die beiden soeben zitierten Kinder- bzw. Familienbastelbücher „Lauter Lieblingsstücke“ sowie „365 Basteltage“ bieten ästhetisch sehr ansprechende Bastelprojekte. Dabei greifen beide Autorinnen auf unterschiedlichste Techniken, Materialien und Trends zurück, oft werden dabei bereits weggeworfenen Dingen oder Flohmarktfunden neue Bestimmungen gegeben.

 

Wiederverwenden

Auch Claudia Scholl widmet sich dem Upcycling-Gedanken. In „Pappenheim“ werden Seite für Seite kleine und größere Projekte rund um Altpapier, Schachteln und Verpackungen vorgestellt. Dabei kann ein Obstkarton zum Kleiderschrank werden, die Designerstücke darin entstehen aus Tortenspitzen und Butterpapier.(3) Schicke, schöne Papierkleider – ein Must-Have für jedes Kinderzimmer, möchte man meinen! Familie Maus hingegen würde sich damit mitnichten begnügen. In Ute und Tilman Michalskis „Werkbuch Papier“ wird eine Schachtel-Mäusewohnung gebaut. Mehrere Stockwerke und Mäuse-Badewanne inklusive!(4) In diesem einerseits sehr phantasievollen und andererseits solide gestalteten Werkbuch werden neue Ideen mit altbewährten Techniken verbunden. Beispielsweise wird hier auf wertvolle Anleitungen wie jene zur Herstellung von Kleisterpapier oder die Faltanleitung für Windräder zurückgegriffen. Claudia Scholl agiert hingegen weitaus experimenteller. In „Pappenheim“ werden Papierschnipsel in Marmeladengläser gefüllt und kurzerhand zu Kunst erklärt.

 

Weiterzeichnen

Herr Kritzl und Frau Klecks sind selbst pure Illustrationskunst, entstammen sie doch niemandem geringeren als dem Minenstift Verena Ballhaus und dem Borstenpinsel Renate Habingers. „Kritzl & Klecks. Eine Entdeckungsreise ins Land des Zeichnen & Malens“ erzählt von der Einladung des einen an die andere: „Dann gehen Herr Kritzl und Frau Klecks miteinander spazieren.“(5) Während die beiden Figuren gehen, essen und schlafen, werden auf den aufklappbaren Innenseiten ihrer Geschichte unterschiedlichste, künstlerische Mal- und Zeichentechniken gezeigt. Diese laden zum selber Ausprobieren aber auch zum Verstehen des Entstehungsprozesses des gesamten Sachbilderbuches ein. In „Drucken und Stempeln“ von Annika Oyrabø hingegen liegt der Fokus ausschließlich auf der Darstellung vielfältiger Druck- und Stempeltechniken, welche in Schritt-für-Schritt-Anleitungen erläutert werden. Die Autorin realisiert einfache Projekte mit großer Wirkung. Sie gestaltet Jutetaschen per Schablonendruck, stempelt Unterwasserwelten auf Trinkgläser oder Geschenkpapiere aus mit Zwiebeldruck verschönertem Zeitungspapier.(6) Mit teilweise identen Druckmaterialen arbeitet auch Julia Kaergel in „Druck mal! Finger-, Obst-, Kartoffelkunst“. Hier darf jedoch gleich selbst nach Herzenslust in das Buch gekleckst, gedruckt und gestempelt werden. Die Künstlerin hat ein Experimentier- und Malbuch der besonderen Art zusammengestellt. Halb leere Seiten warten darauf, vollgestempelt zu werden, kurze Sätze provozieren eigene Phantasiegeschichten, die sofort per Fingerabdruck zu Papier gebracht werden können, dazwischen werden Stempeltechniken erklärt und vorgezeigt.(7) Damit verfolgt „Druck mal!“ ein sehr ähnliches Konzept wie die im Bereich der Weitermalbücher längst etablierten „Kinder Künstler Kritzelbücher“ aus dem „Labor Ateliergemeinschaft“. Ein Highlight aus dieser Reihe ist „Mein Kinder Künstler Freundbuch“, im Format eines klassischen Stammbuches bietet es einerseits die bewährten, vorgedruckten Seiten, auf welche jedes Kind in Stichworten über sich erzählt, andererseits folgt hier jedoch jedem fertig ausgefüllten Steckbrief ein Wegweiser durch die von allen gemeinsam zu gestaltenden Seiten dieses Kreativ-Freundebuches. Wie beispielsweise die mit der folgenden Aussage betitelte Doppelseite: „Hurra, wir ziehen zusammen! Zeichne deinen Lieblingsplatz in unserer superduper Chaos-WG“(8). Eine weitere, ebenso sehr gelungene Variante dieses Malbbuchtrends ist das „Krickel-Krakelbuch. Bilder zum Weitermalen“. Jede Doppelseite wird hier zum Malanlass, ist eine Aufforderung zum Zeichnen, Malen, Phantasieren. „Von was träumen der König und sein Pferd? Was gibt’s im Wolkenkino zu sehen? Wer kommt noch zur Monster-Party?“(9), um nur einige der anregenden und neugierig machenden Bildüberschriften zu nennen.

 

Die neue Generation jener Bücher und Hefte, welche im vergangenen Jahrtausend noch schlichtweg als „Malbücher“ bezeichnet wurden, hat den Bereich der Kreativ- und Mitmachbücher für sich erobert. Gerade weil sich etablierte IllustratorInnen dieses Themas angenommen haben, wird heute – wo es früher galt, streng gezogene Linie niemals zu übermalen – gekritzelt, gekleckst und experimentiert! Diese ästhetische Form von Freiheit kann auch in vielen, neuen Bastelbüchern beobachtet werden. Der Trend zu auf den ersten Blick unordentlich wirkender Ästhetik und der Wiederverwertung ohne bzw. mit sehr geringen Kosten erworbenen Materialien ist damit dort angekommen, wo er sich am allerwohlsten zu fühlen scheint: in Familienräumen, den Räumen, in denen Kinder wohnen, die Kinder aktiv mitgestalten. Und wo sonst wären außergewöhnlich kreative Bastelideen besser aufgehoben?

 

Anmerkungen:


(1) Trixi Schneefuß: Lauter Lieblingsstücke. Schöne Sachen selber machen. Oetinger 2014. S. 8 - 9.

(2) Sabine Lemire: 365 Basteltage. Einfache und kreative Ideen zum Selbermachen. Aus dem Dän. v. Eva Eckinger. Arena 2014. S. 237.

(3) Vgl.: Claudia Scholl: Pappenheim. Recyclingideen fürs Kinderzimmer aus Karton, Pappe und Papier. Haupt 2012. S. 31, 50.

(4) Vgl.: Ute Michalski/Tilman Michalski: Das Ravensburger Werkbuch Papier. Ravensburger 2015. S. 34 - 35.

(5) Renate Habinger/Verena Ballhaus. Kritzl & Klecks. Eine Entdeckungsreise ins Land das Zeichnen & Malens. Nilpferd in Residenz 2014. Ohne Paginierung.

(6) Annika Oyrabøs: Drucken und Stempeln. Beltz & Gelberg 2015. S. 13 - 15, S. 52 - 53.

(7) Vgl.: Julia Kargel: Druck mal! Finger-, Obst-, Kartoffeldruck. Prestel 2013.

(8) Labor Ateliergemeinschaft: Mein Kinder Künstler Freundebuch. Beltz & Gelberg 2012. S. 22 - 23.

(9) Die Krickel-Krakels: Krickel-Krakelbuch. Bilder zum Weitermalen. Oetinger 2008. Ohne Paginierung.

 

 

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