Mein Leben in Bildern

Biografisches Erzählen ist zumeist Angelegenheit von Sachbüchern, Biografien oder Romanen. Bilderbuchbiografien erweitern Lebensgeschichten um die Darstellung mittels Illustrationen und ermöglichen damit das Betrachten eines Lebens in Bildern.

AutorIn: 
Andrea Kromoser


Die schönsten Geschichten schreibt das Leben selbst. Sooft wiederholt dieser Gedanke auch ist, wahr scheint er allemal zu sein. Für das Erzählen von Biografien in Bilderbüchern haben sich die jeweiligen Künstlerinnen und Künstler ganz besondere Menschen ausgesucht. Im Bilderbuch sind die „schönsten“ (was hier natürlich auch aufregendsten, aufsehenerregendsten oder am bahnbrechendsten meint) Momente eines Lebens hervorgehoben. Diese werden mithilfe von oftmals kurzen, klaren Sätzen auf den Punkt gebracht und durch Illustrationen auserzählt, die eigenen Interpretationen viel Raum lassen.

 

„Echte“ Kindheitserinnerungen

In „Janes Traum“ bezieht Patrick McDonnell Fotografien, Skizzen, Zeichnungen sowie erinnerte Anekdoten aus der Kindheit Jane Goodalls mit ein. Der Innentitel zeigt das Schwarz-Weiß-Foto eines Mädchens, das einen Plüschaffen im Arm trägt. Schon die erste Seite des Bilderbuches erzählt also eine wahre Begebenheit: „Jemand schenkte Jane einen Stoff-Schimpansen, er hieß Jubilee.“ (1) Darauf folgen einige Seiten, die vom Spielen im Freien und dem Beobachten von Flora und Fauna erzählen. Jenem Bild, welches sie Muscheln und Blätter malend zeigt, folgt eine Doppelseite, auf der Originalzeichnungen sowie -rätsel aus Jane Goodalls Kindheit abgebildet sind. Die schlicht erzählte Bilderbuchgeschichte wird damit um Dokumente ergänzt, wie sie auch einer Biografie beigelegt sein könnten.

Ebenso detaillierte Recherchearbeiten wurden für die Geschichte Hans Christian Andersen geleistet. Im Bilderbuch „Das Leben ist das schönste Märchen, denn darin kommen wir selbst vor“ widmen sich Sabine Friedrichsons grandiose Bildszenen einzelnen Momenten sowie Begebenheit aus dem Leben Andersens. Grundlage für diese, ebenso mit Originaldokumenten ausgeschmückten Szenen, bilden dessen autobiografische Schriften. Wenn auch den persönlichen Texten des Dichters entnommen, so werden hier viel weniger real geschehene Tatsachen als das von Andersen Zeit seines Lebens selbst inszenierte „Märchen“ dargestellt. Dankenswerter Weise macht der Quellenverweis des Bilderbuches darauf dezidiert aufmerksam: „Inzwischen ist längst erwiesen, dass Andersen sich gewisse Teile seiner Kindheit schöngeredet, sozusagen als ein Märchen erfunden hat.“ (2) Nichts desto Trotz – oder vielleicht gerade deshalb – tauchen hier Leserinnen und Leser tief ein, in die faszinierenden Lebensumstände einer bedeutenden Persönlichkeit.

 

Kurz gesagt

Ein Leben in Bildern zeigt Annemarie van Haeringen in ihrer Bilderbuchbiografie des Malers Matisse. Die Künstlerin kommuniziert darin – ebenso wie in ihrem Bilderbuch über Coco Chanel – ganz zentral über die Bildebene. Sie zeigt in ihren ausdrucksstark-pointierten Illustrationen einzelne Szenen entlang der Biografie beider Persönlichkeiten und macht damit ebenso den Maler als auch die Modeschöpferin zu zeitgemäßen, lebendigen Bilderbuchfiguren, welche jeweils die Geschichte eines Menschen erzählen, der in seiner bzw. ihrer Zeit Zukunftsweisendes geschaffen hat. Die jeweils sehr kurz gehaltenen Textstellen bringen wesentliches Wissen über die beiden auf den Punkt. Beispielsweise, wenn es zu Matisse Arbeitsweise heißt: „Monsieur Matisse jongliert endlos mit Formen und Farben, bis er zufrieden ist.“ (3) „Ich nähe ein Kleid, bei dem man nicht spürt, dass man es anhat. Ein Kleid, in dem man tanzen und Fahrrad fahren kann.“ (4), sagt Gabrielle Chanels Bilderbuchpendant über deren Philosophie zu Kleidern, die Bewegungsfreiheiten schaffen.

 

Traum vom Fliegen

Nicht den soeben skizzierten Weg einer direkt erzählten Biografie, sondern eine Bilderbuchgeschichte, die jeweils mit dem Verweis auf eine Kunstfigur bzw. historische Figur endet, widmen sich „Wie Rosie den Käsekopter erfand“ von Andrea Beaty und David Roberts bzw. „Lindbergh“ von Torben Kuhlmann. Der Traumberuf des Mädchens Rosie Reveur ist Ingenieurin, während bei Kuhlmann eine kleine Maus vom Fliegen träumt. Beide Figuren kommen ihren Wünschen mithilfe selbst gebauter Flugmaschinen in großen Schritten näher. Beaty und Roberts lösen in einem abschließenden Verweis intertextuelle sowie bildliche Anspielungen mit einer Information zum geschichtlichen Hintergrund ihres Bilderbuches, indem sie von der Figur Rosie the Riveter berichten. Sie „rief während des 2. Weltkrieges mit dem Slogan ‚We can do it‘ Frauen in den USA dazu auf, Berufe in Industrie und Rüstung zu ergreifen. Dieser Prozess führte in vielen Ländern dazu, dass Frauen nach Ende des Krieges eine wichtige Rolle in der technischen Entwicklung und Produktion spielten.“ (5) Kuhlmann lässt seiner Maus jene Eckdaten erleben die mit der Biographie des Titel gebenden Charles Lindbergh einhergehen. Im Nachwort liest ein Kind von den Errungenschaften der Maus. Der Junge steht „mit pochendem Herzen vor einem dieser Poster. Er träumte davon, irgendwann selbst den Himmel zu erobern … Es war der kleine Charles Lindenbergh.“ (6)

 

Alle diese Geschichten, welche das Leben so „schön“ zu schreiben wusste, bringen in ihren kurzen Textpassagen ausgewählte sowie pointierte Sachinformationen mit sich. Eigenen Interpretationen wird dabei – vor allem auf den Bildebenen – ein sehr großer Raum zugesprochen. Jenes, das die Illustrationen über eine Persönlichkeit erzählen, lässt die Leserinnen und Leser mit Staunen und Neugierde zurück. Denn Bilderbuchbiografien können Stimmungen wahrnehmen, Rechercheanlässe sein und Lust darauf machen, mehr über einen Menschen zu lesen oder eigene Lebensträume wachsen zu lassen.

 

 

Anmerkungen:

(1) Patrick McDonenell: Janes Traum … vom Dschungel und den Tieren. Bargteheide: Minedition 2012.

(2) Hans Christian Andersen/Sabine Friedrichson: "Das Leben ist das schönste Märchen, denn darin kommen wir selbst vor". Weinheim: Beltz & Gelberg 2005.

(3) Annemarie van Haeringen: Monsieur Matisse und seine fliegende Schere. Aus dem Niederl. v. Rolf Erdorf. Stuttgart: Freies Geistesleben 2015.

(4) Annemarie van Haeringen: Coco und das kleine Schwarze. Aus dem Niederl. v. Marianne Holberg. Stuttgart: Freies Geistesleben 2014.

(5) Andrea Beaty/David Roberts: Wie Rosie den Käsekopter erfand. Aus dem Amerik. v. Reinhard Pietsch. München: Knesebeck 2014.

(6) Torben Kuhlmann: Lindbergh. Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus. Zürich: Nord Süd 2014.

 

 

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