Zielgruppen richtig abholen. Menschen begeistern!

Mit einem bewussteren und sensibleren Umgang haben Botschaften mehr Erfolg. Um sicherzustellen, dass diese auch bei den NutzerInnen ankommen, ist es für Bibliotheken notwendig, Zielgruppen zu definieren.

AutorIn: 
Georg Braun


Meine Geschichte beginnt bei etwas, das sich jeder von uns wünscht: Aufmerksamkeit. Ein Gut, um das es in unserer Informationsgesellschaft mehr denn je zu kämpfen gilt. Sind Sie überhaupt noch bei mir? Oder wurden Sie bereits beim Lesen der ersten Zeilen von etwas abgelenkt? Das würde mich nicht wirklich wundern. Laut aktuellen Studien sind wir nur rund 8 Sekunden im konzentrierten Zustand. Was in 8 Sekunden nicht erzählt, nicht transportiert oder erreicht ist, kann nur schwer nachgeholt werden. Das Sprichwort „Komm auf den Punkt“ scheint mehr denn je an Bedeutung zu gewinnen. Wo aber ist dieser Punkt und was soll dann passieren, wenn wir endlich die so wichtige Aufmerksamkeit haben?

 

Zuerst aber ein Blick auf das, was ablenkt

Lassen Sie uns gemeinsam unsere Aufmerksamkeit auf einige störende Faktoren lenken. „Waren wir schon im gleichen Film?“ oder „Haben wir schon vom Gleichen gesprochen?“ – diese Situationen kennen Sie sicher auch. Öfter als uns lieb ist, glauben wir über das Gleiche zu sprechen, meinen aber jeweils etwas ganz anderes. Verantwortlich für diesen Effekt ist einer unserer wichtigsten Schutzschilder: die selektive Wahrnehmung. Sie stellt sicher, dass unser Hirn angesichts der riesigen Mengen an Informationen nicht durchbrennt. Leider bringt sie es aber mit sich, dass wir von den rund 11 Millionen Sinneseinflüssen pro Sekunde nur einen kleinen Bruchteil verarbeiten können. Genau gesagt nur mickrige sechzig. Also kein Wunder, dass wir beim Blick auf die Wirklichkeit etwas anderes wahrnehmen als unsere GesprächspartnerInnen und Zielgruppen. Unsere Botschaften spiegeln jedoch genau diese Filter wider. Was uns wichtig ist, scheint uns auch für unser Gegenüber wichtig und wertvoll zu sein. Und das beeinflusst vieles. Vor allem ist es auch eine der größten Fehlerquellen in unserer Kommunikation. Zu glauben, dass unsere Interessen und Bedürfnisse auch jenen unserer Gegenüber entsprechen. Und noch schlimmer. Auch die Wirkung und Interpretation unserer Botschaften ist ausschließlich durch die persönliche Erfahrung, Geschichte, Kultur oder Haltung unserer Gegenüber geprägt. Selektive Wahrnehmung und individuelle Interpretation machen es uns nicht einfach, Menschen für unsere Produkte, Leistungen oder Ideen zu begeistern. Und wer glaubt, das war‘s schon, der irrt.

 

Dazu kommt nämlich ein unaufhaltsam wachsendes Angebot digitaler Medien. Rund 500 Stunden neues YouTube-Videomaterial und Millionen von Facebook-Postings buhlen pro Minute um unsere Aufmerksamkeit. Die Ablenkungen warten an jeder Ecke und mit jedem Wischen über unser Smartphone. Kein Wunder, dass es immer schwerer wird, Menschen zu erreichen.

Wie aber trotzdem die eigenen Botschaften und Themen an die Frau bzw. den Mann bringen? Die Chance liegt in der Auseinandersetzung mit den EmpfängerInnen, mit unseren Zielgruppen. Gerade ihre Interessen, Werte, Ziele oder Bedürfnisse können zum Schlüssel werden, um neue InteressentInnen, KundInnen oder TeilnehmerInnen für sich zu gewinnen.

 

Von der Ziel- zur Bedürfnisgruppe

Die Männer, die Alten oder die Jugendlichen – allzu oft hört man diese Antworten auf die Frage nach den relevanten Zielgruppen. Wozu aber überhaupt diese Überlegung nach Einteilung von Menschen in Gruppen?

Sie sollen uns das Leben in der Kommunikation vereinfachen. Wir suchen nach gleichen Eigenschaften, Kriterien oder aber auch Bedürfnissen bei Menschen, um diese für unsere Arbeit in kleinere und größere Gruppen einzuteilen. Damit wollen wir unsere Botschaften, Plakate, Newsletter und Webseiten effektiver gestalten. Schneller auf den Punkt kommen oder Unwichtiges weglassen. Wie aber ein griffiges Konzept an Aussagen entwickeln, wo doch soziodemografische Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Einkommen schon lange kein Indiz mehr für Werte, Verhalten oder Entscheidungen sind? Vielleicht auch nie wirklich waren.

Dabei würde uns eine Einteilung zum Beispiel nach Informationsbedürfnissen und Medienpräferenzen, Interessen oder Produktnutzen einen wahren Blumenstrauß an Optionen für Aussagen und Botschaften ermöglichen.

 

Beispiel: Eine Einteilung von Zielgruppen nach ihren Motiven zu Bibliotheken. Die zentrale Frage dabei: Wozu nutzen Menschen Bibliotheken? Hier ein kreativer Lösungsversuch.

  • Die Atmosphären-Fans: Lesen mit allen Sinnen. Es ist schon ein Erlebnis, durch den Gang mit diesen vielen Geschichten, dieser vielfältigen Geschichte zu schlendern. Sich Zeit für die Suche, die Auswahl zu nehmen. Inspiriert durch haptische Einflüsse, möchten sie das Leben begreifen.
  • Die Abtaucher: Bücher als Reise in andere Welten. Sie sehen die Bibliothek als Bahnhof oder Flughafen zu vielen Destinationen. Die Bibliothek als Möglichkeit rauszukommen. Ohne gleich die Flugangst überwinden zu müssen. Und trotzdem mit der Chance, auch in der Nähe mal auf was anderes zu stoßen.
  • Die Einsamen: Sie sind auf der Suche nach Anschluss. Lieben die Möglichkeit, über ein gemeinsames Interesse ins Gespräch zu kommen. Soziale Kontakte – sie sind auch zwischen den Seiten, Büchern und Regalen zu finden.
  • Die Informationssucher: Sie brauchen fundierte Informationen zu einem Thema. Wollen sich nicht nur auf das Internet verlassen, sondern auch wieder mehr Informationen mit einer längeren Lebensdauer und Länge als ein Tweet.

Erkennen Sie den einen oder anderen Typ? Welche Gruppe würde sich wohl am meisten in Ihrer Bibliothek finden? Was müsste getan bzw. gesagt werden, um das Interesse der jeweiligen Gruppen zu gewinnen? Wo könnte uns das gelingen? Eine kreative Einteilung von Zielgruppen ist ein wunderbares Werkzeug, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen, sie bei ihren Bedürfnissen abzuholen oder sie für die eigene Sache zu begeistern. Ob jung oder alt, reich oder arm, Männchen oder Weibchen – eine Einteilung nach klassischen Methoden hat nicht annähernd das Potenzial bei der Entwicklung von Inhalten. Probieren Sie es aus! Es macht Spaß.

 

Wie wir Zielgruppen nutzen können?

Relevante und gute Inhalte gehören im Informationszeitalter zu den zentralen Erfolgsfaktoren. Zu groß ist das Angebot, und die Zeit klassischer Werbung ist vorbei. Die Streuverluste und die Kosten sind zu hoch. Im Zeitalter von Social Media, Blogs und Apps können Interesse und vor allem Interaktion zum wahren Motor für die eigenen Anliegen werden. Laut Angaben von Facebook soll der Newsfeed den „richtigen Menschen“ die „richtigen Inhalte“ zur „richtigen Zeit“ anzeigen. Wo wir wieder beim „auf den Punkt kommen“ wären. Die oben skizzierten Beispiele können besser dabei helfen, Geschichten zu finden, die Menschen dazu bewegen, aktiv zu werden. Ob Like, Rating oder eine Antwort – jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. So auch die unserer KundInnen und BesucherInnen auf dem Weg zu uns. Nutzen Sie die Kraft relevanter Geschichten (Fachterminus: Relevant Content), um Menschen auf dem Weg zu den für sie gedachten Angeboten zu begleiten.

 

 

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