Die vorwissenschaftliche Arbeit und öffentliche Bibliotheken

Es kommen wieder neue Chancen und Herausforderungen auf Bibliotheken zu: Informationskompetenz und Recherchekenntnisse der Bibliothekarinnen und Bibliothekare sind gefragt, wenn es darum geht Maturanten und Maturantinnen bei der Erstellung ihrer vorwissenschaftlichen Arbeit (VWA) zu beraten.

AutorIn: 
Elke Groß


Im Schuljahr 2013/2014 gab  es die ersten neuen Reifeprüfungen an den AHS nach der Novellierung des Schulunterrichtsgesetzes (BGBI. I Nr. 52/2010) und auf Basis der neuen Reifeprüfungsverordnung (BGBI. II Nr. 174 /2012). Ab diesem Schuljahr ist  in den AHS das „Drei-Säulen-Modell“ nun verpflichtend. Neben standardisierten schriftlichen Klausuren und mündlichen Prüfungen müssen die Schülerinnen und Schüler der AHS jetzt zusätzlich eine vorwissenschaftliche Arbeit schreiben. 

 

Was ist die Vorwissenschaftliche Arbeit (VWA)?

Die vorwissenschaftliche Arbeit ist „eine abschließende Arbeit (einschließlich deren Präsentation und Diskussion), die selbständig  und außerhalb der Unterrichtszeit zu erstellen ist.“ (§ 34 Abs. 3 Z 1 SchUG). Diese Arbeit ist eine Weiterentwicklung der früheren freiwilligen Fachbereichsarbeit. Durch die Aufgabenstellung sollen die Maturantinnen und Maturanten umfassende Kenntnisse zu einem frei gewählten Thema und die Beherrschung verschiedener, dem Thema angemessener Methoden zum Erkenntnisgewinn unter Beweis stellen, selbständiges Arbeiten lernen und sich in der mündlichen Präsentation und Diskussion der Ergebnisse üben. Die VWA soll ca. 40.000-60.000 Zeichen umfassen und kann grundsätzlich zu jedem erdenklichen Thema geschrieben werden. Es muss nur eine sachkundige Betreuungsperson im Lehrpersonal der Schule zur Verfügung stehen.

 

Was hat das mit Bibliotheken zu tun?

Wie schon so oft tauchen neue Aufgaben und Anforderungen in der Bibliothek auf, die sowohl Chance als auch Herausforderung darstellen. Auch kleine Bibliotheken sollten sich nicht voreilig aufgrund ihres geringen Sachbuchbestands für nicht zuständig erklären. Womöglich muss man eine/n Schüler/in ohne Buch aus der Bibliothek wieder nach Hause schicken, aber das heißt nicht, dass er/sie unzufrieden oder ratlos die Bibliothek verlassen muss. In der Bibliothek, egal wie groß oder klein, ob ehren- oder hauptamtlich,  geht es nicht nur um das Medienangebot, sondern auch um Beratung und Unterstützung bei der Materialsuche. Denn die Bibliothekarin verfügt abseits vom Medienangebot auch noch über einen weiteren Schatz: Informationskompetenz und Recherchekenntnisse. Auch das macht eine Bibliothek aus: nicht nur vor Ort auf Sachmedien zugreifen zu können, sondern auch Hilfe zu finden, um weitere Quellen zu erschließen und Tipps zu erhalten, wie und wo man effizientere Suchergebnisse erzielt. Das macht die Bibliothek zu idealen Ansprechpersonen, um Maturanten und Maturantinnen bei der Erstellung ihrer VWA zu beraten, setzt aber natürlich voraus, dass Bibliothekare und Bibliothekarinnen selbst möglichst gut auf solche zu erwartenden Anfragen vorbereitet sind.

 

Gut vorbereitet agieren, statt ahnungslos reagieren

Die leistbare Unterstützung wird in einer Schulbibliothek anders aussehen als in einer öffentlichen Bibliothek oder in einer wissenschaftlichen Bibliothek. Eines sollte jedoch allen gemeinsam sein: die Bereitschaft, diese neue Aufgabe als Chance zu sehen, um  Bibliotheken als professionelle Bildungspartner im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Dieser Wissensvorsprung, der Sie zu einer/n  kompetenten und verlässlichen Fachfrau/mann macht, liegt in Ihrer Hand. Abzuwarten, was auf uns zukommt und bei den ersten Anfragen ahnungslos zu reagieren, ist auf jeden Fall sicher die falsche Strategie. In Amerika gibt es schon länger sogenannte teaching librerians, die nicht nur für den Medienverleih zuständig sind, sondern sich auch explizit dafür verantwortlich fühlen, die Benutzer/innen im Umgang mit den verschiedenen Medien zu schulen und beim lebenslangen Lernen zu unterstützen.

 

Neue Aufgaben – neue Chancen

Die neuen Aufgaben bieten aber auch neue Chancen. So kann die VWA die Zusammenarbeit zwischen Schulen/Schulbibliotheken, öffentlichen Bibliotheken und wissenschaftlichen Bibliotheken beleben. Die öffentlichen Bibliotheken können sich verstärkt als größte außerschulische Bildungsinstitution positionieren und haben mit diesem Imagegewinn auch wieder neue Argumente bei Budgetverhandlungen mit ihren Trägern in der Hand.

Auf einen letzten Aspekt darf man nicht vergessen, wenn wir von Chancen im Zusammenhang mit der VWA reden: Gerade die Jugendlichen sind eine Benutzergruppe, die normalerweise sehr schwer für die Bibliotheken zu erreichen ist. Die VWA ist eine hervorragende Gelegenheit dazu, die wir uns nicht entgehen lassen sollten.

 

Best-Practice-Beispiele zur VWA

  • Die AK-Bibliothek digital greift das Thema VWA dezidiert auf: Bereits 2012 wurde in Zusammenarbeit mit dem damaligen BMUKK eine Spezialsammlung für Schüler/innen zum Verfassen einer VWA angelegt. In dieser Literatursammlung  findet man nicht nur alles zum Thema Recherchieren, Zitieren, Schreiben und Präsentieren, sondern eben auch einen Überblick über Sachbücher verschiedenster Themengebiete, die für eine VWA interessant sein könnten.
  • Das Bundeszentrum Literacy arbeitet an einer Bibliothekskarte, die auf www.ahs-vwa.at zu finden ist. Bei der Bibliothekssuche können Schülerinnen und Schüler sich die verschiedenen Bibliotheken in der Nähe des eigenen Standorts anzeigen lassen. Die Karte soll laufend um Bibliotheken erweitert werden, die spezielle Angebote zur VWA, wie z.B. Fernleihe oder Recherche-Workshops, bieten.
  • Die Karl Franzen Universität Graz bietet in einem Pilotprojekt der Geisteswissenschaftlichen Fakultät in Kooperation mit dem Landesschulrat Steiermark ein VWA Peer Group Mentoring für Schüler/innen ab der 7.Klasse an. Student/innen, die bereits Erfahrungen im Schreiben von Seminararbeiten gesammelt haben, betreuen dabei eins zu eins Schüler/innen aus sechs Testschulen auf ihrem Weg zur VWA. Sie erhalten dafür 4 ECTS pro Semester und eine Praktikumsbestätigung. 
  • Stadtbibliothek Graz: Bereits 2013 befasste sich eine Bibliothekarin der Stadtbibliothek Graz im Zuge ihrer hauptamtlichen Ausbildung mit dem Thema VWA und entwickelte Recherche-Workshops und einen digitalen Leitfaden für Schüler/innen (S.C.R.I.P.T.)
  • ÖB Reutte: Dass auch bereits kleinere Bibliotheken auf das Thema aufmerksam geworden sind, zeigt das Beispiel der Bibliothek in der 6200 Einwohner zählenden Gemeinde Reutte (Tirol): auf ihrer Homepage findet man bereits einen eigenen Punkt mit hilfreichen Informationen und Links zur VWA.
  • Die Stadtbibliothek Traun hat ihr umfangreiches Angebot zum Thema VWA (Fernleihe, Hilfe bei der Literatursuche, Literatur- und Linklisten) übersichtlich in einem Folder präsentiert.
  • Die Stadtbibliothek Vöcklabruck bietet Recherche- und Präsentationsworkshops, spezielle Bibliotheksführungen für Schüler/innen der siebten Klassen, Medienkisten, Fernleihe, Literaturlisten und Linktipps.
  • Büchereien Wien: In Wien arbeiten die Schulbibliotheken, die Büchereien Wien und die Universitätsbibliothek eng zusammen und stimmen ihre Angebote aufeinander ab. Die Büchereien Wien haben eine Info-Plattform für Schüler/innen auf ihrer Homepage entwickelt, wo Suchstrategien, Präsentationstechniken und Zitierregeln vermittelt werden.

 

 

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