Zeitschleifen und Schleifenfragen: Alexander Kluy bloggt im August 2014

Alexander Kluy erklärt, wieso der August ein Zeitschleifenmonat ist und die immer selben Literaturfragen auftischt, wieso die Vorfreude auf Literaturfestivals groß, das weitere Schicksal des Autors dagegen unbekannt ist.

Zu behaupten, dieser August sei August gewesen, wäre übertrieben. Im Grunde hat er sich als Oktober entpuppt. Mit eindeutiger Tendenz zur meteorologischen Depression.

 

Dabei wäre ja eigentlich vom August als dem klebrigsten Monat im Jahr zu schreiben. Der Status als grausamster ist ja literarisch bekanntlich dem April reserviert.

 

August, wäre theoretisch zu schwärmen: so sommerlich klebrig, dass selbst beim Lesen im Schatten auf das aufgeschlagene Buch von der Stirn der Schweiß anmutig tropft, der Schutzumschlag an den Fingern festklebt und der Kindle endgültig ob temperamentaler Überhitzung streikt, so wie das 1639 (Stand: 24. August 2014) Unterzeichner eines offenen Briefes wider Amazons Verlagskonditionen-Erpressung machen wollen. Doch wie hat eine (gedruckte) Zeitung geschrieben: der kälteste August seit acht Jahren.

 

Immerhin ist der August noch immer der altbekannte Zeitschleifen-Monat, in dem jedes Jahr von neuem sich alles wiederholt. Und immer wieder das selbe passiert, mit und ohne Murmeltier. Die Fernsehsender programmieren die x-te Wiederholung von bereits endlos wiederholten Filmen. Beim Bepacken der Koffer wird wie jedes Jahr auch nachgedacht: Was nehme ich als Lektüre mit? Darf man Imre Kertész am Strand von Jesolo lesen? Faramerz Dabhoiwalas „Lust und Freiheit“ auf der Meditationswoche im Kloster? David Graebers „Schulden. Die ersten 5000 Jahre“ auf Kreta? Und wenn ich im Hafenrestaurant in Portocolóm Erik Axl Sunds „Das Krähenmädchen“ neben den Fischteller lege, springen dann alle Fische gleich wieder aus Angst zurück ins Wasser?

 

Oder doch nur das Platz sparende E-Book einpacken? Aber zu frisch ist noch der Bericht der Bekannten aus Berlin, die zu Pfingsten grausige Ferienwochen durchlitt, weil sie nur und ausschließlich ein E-Book mitnahm in die tiefste südostfranzösische Provinz und sich das Elektroteil am dritten Teil bereits nicht mehr rühren wollte, sie weitab von allem war und deshalb nur noch Wolken zählen konnte, große Wolken, kleine Wolken, Zitronenbäume, kleine Zitronenbäume, Zitronenbaumblätter. (Der Weinkeller des Anwesens war zum Glück ausreichend bestückt.)

 

Zum Glück sind ja nun mit dem August die falschen Festivals verklungen, die Musikfeste zwischen Salz- und Greinburg. Und nun kommen die richtigen – die literarischen. Und zwar von Tirol mit dem pfeffrigen „Sprachsalz“, pfeffrig, weil die alten wilden Beatnik-Reckinnen und Recken Nordamerikas hier jedes Jahr vorbeischauen, über jenes in Spitz in der Wachau und Literatur im Grünen im grünen Burgenland bis zum nebeligen Heidenreichstein.

 

Zum Glück gehen ja auch Büchermenschen, ansonsten wenig normal, ganz normal von Mitte Ende Juli bis Mitte Ende August mehrheitlich in Urlaub. Was heißt: Dass jene, die sich eisern dazu zwingen, zu Hause auszuharren, in banger, stets enttäuschter Hoffnung auf einen Sommer vor der eigenen Haustür, vor Abreisetorschluss mit Früh- und Vorabexemplaren überschüttet werden. Zeitschleifen auch hier. Liest man doch jetzt ein Buch, das es erst in vier oder sechs oder acht Wochen geben wird. Und darf noch kein Wort darüber sagen. Und beim neuen Ken Follett hat man sogar eine derartige Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen, dass bei Zuwiderhandlung die EKO Cobra vorbeischaut, mindestens. Und der weltliche Besitz anteilig an den Lübbe Verlag und Mr Follett geht, und die Seele an die Hölle (wahrscheinlich eine ausschließlich mit Lübbe-Titeln bestückte Bibliothek).

 

Höllisch gut geschlagen hat sich heuer Österreich bei der im August verkündeten Longlist des Deutschen Buchpreises. 5:1 lautet das Ergebnis. 5 Österreicher unter den 20 Auserkorenen. Und 1 Schweizer. Das müssen die Eidgenossen, die ja literarisch seit Jahren unter Nachwuchsschwierigkeiten leiden, erst einmal einstecken. Jetzt müssen, um den Wahl-Angler Dirk Stermann zu variieren, die 5 Österreicher nur noch unter die ersten 4 kommen.

 

Und hier noch die Auflösung, wie der Follett-Roman ausgeht. Und zwar bekommt am „ZUGRIFF! ZUGRIFF! COBRA! COBRA!“ Die Tür wird krachend eingetreten, ein Helikopter knattert, Hil fe. Eine sonore Stimme: „This is Ken Follett.“ Diabolisches Lachen.

 

Gastblogger/in

Alexander Kluy
Alexander Kluy/privat

Alexander Kluy ist Journalist, Autor und Kritiker in München und schreibt unter anderem für "Der Standard", "Buchkultur" und "Literatur und Kritik".

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