Verena Dürr bloggt: Musenküsse

Über die Veranstaltungsreihe "Musenküsse" oder wie aus einer generationenübergreifenden Freundschaft ein gemeinsamer Kampf entsteht.

Etwas über die Literaturszene. Ich habe ja Medienkunst studiert und frage mich bis heute: was ist die Literaturszene und wie wird man ein Teil davon? Doch während ich mich das frage, bin ich schon längst dabei es herauszufinden: erst nimmt man teil. Aber nur teilzunehmen ist ein so konsumistischer Vorgang und wie es sich mit Konsum eben verhält, tritt irgendwann Sättigung ein und/oder aber kann im Falle der Kunst auch ein musischer Prozess sein. Dann will man auch einmal Teil geben und das ist die beste Strategie um teil zu bleiben. Auf diese Weise wurde aus den Musenküssen – einer ursprünglich einmaligen Veranstaltung, eine heuer zum fünften Mal stattfindende Literaturreihe.

 

Eva Geber hatte die Idee – ein Salon für Autorinnen, deren Schreiben in andere künstlerische Genres übergreift und sie lud mich dazu ein, auch wenn ich mich damals noch lieber auf Vernissagen herumtrieb. Von diesem ersten Abend sehr angetan, beschlossen wir, die Musenküsse ein weiteres Mal und gemeinsam zu veranstalten. Ich wurde also eingeladen und lade nun meinerseits ein, besuche, auf der Suche nach Autorinnen, die unzähligen anderen privat initiierten Literaturveranstaltungen, die Wien bereichern und hinter denen das niemals genügend honorierte und dennoch liebevolle Engagement von vielen anderen AutorInnen steckt. In den letzten vier Jahren wuchsen Freundschaften, Ideen zu Texten und anderen literarischen Projekten auf dem Nährboden der Musenküsse. In dieser Zeit zerbrach ich eine Fake-Mingvase, die Therme in meiner Wohnung ging kaputt, und ich lebte zwei Monate mit einem monströsen Wasserschaden zusammen. Und auch wenn vieles von dem, was ich mir aufbaue oder mein eigen nenne, leicht in die Brüche geht – ich verliebte mich fünf Mal, brach mir dreimal das Herz und einmal den Finger – meine Freundschaft zu Eva Geber war und ist ein Immergrün in meinem Leben. Die Musenküsse sind also auch ein Projekt einer generationenübergreifenden Freundschaft. Wir halten das Format sehr offen. Wir wechseln nicht nur jedes Mal den Veranstaltungsort, es ändern sich auch formale und inhaltliche Schwerpunkte. Doch mit jedem Abend wollen wir eine Atmosphäre bieten, in der die Zuhörerinnenschaft sich austauschen, sich und etwas anderes kennenlernen kann – das alles und alle miteinander auf Augenhöhe. Die Musen haben heutzutage (und hatten wohl auch nie) Lust, als hochqualifizierte Ghostwriterinnen dem einen oder anderen gewöhnlichen Künstler zum Geniestatus zu verhelfen. Sie inspirieren sich lieber gegenseitig und ihre Geschlechtsgenossinnen. Nur ab und zu laden wir uns einen begabten Autor in den Zirkel – der Quote wegen.

 

Eva Geber schrieb in den letzten vier Jahren ein Buch und einen Essay über das Leben der Anarchistin und Autorin Louise Michel und übersetzte ihre Gedichte aus dem Französischen. Außerdem las sie mit Sicherheit um einige Bücher mehr als ich. Sie arbeitet als Grafik Designerin, Autorin und Herausgeberin von Büchern über Leben und Werk politisch aktiver, historischer Frauenfiguren. Eva war schon eine Weile vor mir Teil der Literaturszene und wichtige Akteurin in der feministischen Wiener Frauenszene. 1974 hat sie die AUF – Aktion unabhängiger Frauen und die daraus resultierende AUF - eine Frauenzeitschrift mitbegründet. Ein Medium, das einen wesentlichen Beitrag zum feministischen Diskurs in Wien leistete. Und weil es gerade wieder so verdammt aktuell ist: eines der ersten Themen, die die AUF behandelte und klar Position bezog, war die Debatte rund um den Schwangerschaftsabbruch, der in Österreich bis 1975 unter Strafe gestellt war. Eva hat mir gerade per WhatsApp Fotos der AUF von 1975 geschickt – ich füge sie dem Text anbei – der verdammten Aktualität wegen.

 

Wie Eva Geber in ihren einleitenden Worten zu den letzten Musenküssen und mit merkbarer Wehmut in der Stimme erzählte, musste die AUF 2011 aufgrund mangelnder Beteiligung eingestellt werden – ich trieb mich ja zu dieser Zeit noch auf Vernissagen herum, aber gerade küsst mich die Muse und wer weiß, vielleicht wird ja eine neue Ausgabe der AUF erscheinen und die nächsten Musenküsse werden im Format eines Zeitschriften-Release abgehalten.

 

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Gastblogger/in

© venerasinn
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Verena Dürr lebt und arbeitet als Autorin, Musikerin und Sozialbetreuerin in Wien. Sie ist ein Teil der Literaturband „Smashed to Pieces“ und Mitveranstalterin der medienübergreifenden Literaturreihe „Kein Konzil! Musenküsse“. Sie schreibt Essays für Zeitschriften und an ihrem ersten Roman. Ab April 2019 ist ihr Hörspiel „Herr im Garten“ in der Mediathek des bayrischen Rundfunk zu hören, in dem sie sich mit dem Selbstverständnis eines bedeutenden Akteurs der internationalen Waffenindustrie auseinandersetzt. 

http://www.venerasinn.com/

 

 

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