Mercedes Kornberger bloggt: Über den Versuch einer Annäherung

Ein Ausflug in den ersten Wiener Bezirk des Geistes.

Die Schreiberei ist eine ungelobte Kunst. Zuerst muss man alleine irgendwo sitzen und mit dem inneren Ich kämpfen und am Ende darf man das dann vor einer Handvoll Leuten vorlesen. Das Lob zeigt sich hier nicht in Form eines begeisterten Publikums, das einen einfach liebt. Viel schlimmer, die Aufmerksamkeit zeigt sich auf intellektuelle Art und Weise, in schwierigen, intellektuellen Fragen, nach der Lesung oder in Interviews, auf die man reagieren muss, in einem unendlichen Kreislauf des Denkens. Wer will denn zu so einer Welt gehören?

Wenn man Superstar werden hätte wollen, dann hätte man sich ja auch dem elitären System unterwerfen und Gesang studieren können. Als schöne Frau in der Literatur wird man schnell zum Biedermeierpüppchen gemacht und in eine Rolle gedrängt, in der man auch den Rechten passt, oder man ist halt sowieso dumm und nicht ernst zu nehmen. Das sage ich mir jedenfalls und in weiterer Konsequenz bleibe ich dann doch lieber unter den besten Freunden, um in der eigenen Suppe zu schwimmen. Verstecke mich, bevor ich scheitern könnte.

Aber in Wahrheit muss sich das alles ändern. Ich möchte jede Bühne unter tosendem Applaus verlassen, egal, was ich dort mache. Und wenn ich um drei Uhr früh aus dem kurdischen Lokal stolpere, dann mit einem Strauß Rosen in der Hand und einer Gruppe jubelnder Männer hinter mir.

Für diesen Text gehe ich hinaus, um mir eine Lesung in der Alten Schmiede anzuschauen. Das macht man ja sonst nie, viel einfacher ist es, irgendwo bei einem Spritzer hängen zu bleiben, anstatt sich der Hochkultur hinzugeben.

Auch im ersten Bezirk herrscht Tradition. Ein dunkler SUV, aus dem klassische Musik dringt, drängt mich in einem engen Gässchen zur Seite, ich verlaufe mich natürlich, weil ich mich im ersten Bezirk immer verlaufe, und gegenüber der Alten Schmiede kann man sich ein Stadthaus kaufen. Wie immer zu spät, weil ich mich ja verlaufen habe, trete ich über den knarrenden Holzboden. Dann wird man angestarrt, das fühle ich, während ich die Situation auf der Bühne ins Auge fasse – da sitzen zwei Personen, das bedeutet, es wird wieder diese Fragen geben, die ich nicht verstehen werde, und alles in mir wird sich zusammenziehen, als würde ich selbst da vorne sitzen, voller Angst und mich blöd, wie ich es nenne „unwissenschaftlich“ fühlen. Eine ältere Dame rettet mich, sie ist meine Verbündete, sie kommt noch später als ich und stöckelt ohne Rücksicht auf irgendwen über den Holzboden. Ich mag ihre Haarspange.

Die Lesungen sind wirklich gut. Der erste Lesende ist ein Mann. Mir persönlich gefallen die zwei Frauen, die danach kommen, noch besser. Das ist aber fast immer so. Männer wollen die Welt verstehen und müssen sie daher beschreiben. Frauen sind bereits die Welt, aus der heraus sie schreiben. Deshalb trifft und berührt mich das immer viel mehr. Als würde man einfach den ganzen Schnickschnack weglassen und zur Sache kommen, ohne sich dabei feiern zu müssen, ohne Selbstlob oder Selbstdarstellung. Wenn Männer neu an einem Ort ankommen, stellen sie sich ja auch sofort auf einen Misthaufen oder den anderen höchsten Punkt in der Landschaft, um etwas überschauen zu können.

Für die Zeit der Lesung lasse ich mich fallen, lasse mich auf Stimme und Rhythmus ein, sauge auf, wie jemand das eigene Geschriebene liest und einen dorthin mitnimmt.

Ich sage das einer der Autorinnen dann auch, dass ich sie gut finde. Später auf der Toilette, als ich mein Gesicht anmale, um mich vor der Welt zu schützen, da öffnet sie die Tür, steht in derselben Toilette, vor demselben Spiegel. Ich sage ihr, dass es wirklich gut war, während mir der Lippenstift hinunterfällt und über den Boden auf die Klotüre zurollt. Aber ich weiß nicht, ob das gut angekommen ist, man ist hier nicht auf einem Konzert oder in einer Bar, es geht immer noch um Literatur.

 

Gastblogger/in

© Jörg Stöger
© Jörg Stöger

 

Mercedes Kornberger, geboren 1989, aufgewachsen und wohnhaft in Wien, ist unter anderem Mitglied der Autorinnengruppe KW77 und Mitveranstalterin der Literaturreihe „Blumenmontag“, die jeden letzten Montag im Monat im Cafe Stadtbahn stattfindet. Am 13.06.19 ist sie mit einem Text bei der Vernissage im Büro Weltausstellung vertreten und am 27.07.19 liest sie bei den „Perspektiven“ am Attersee.

 

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