Ich bin kein guter Leser: Tex Rubinowitz bloggt im September 2014

Tex Rubinowitz erklärt, wieso der September ein Übergangsmonat ist und er selbst kein guter Leser und weshalb er Charles Bukowski, Knut Hamsun und Italo Svevo gelesen hat, Karl May, Asterix und Hermann Hesse aber nicht.

Ich bin kein guter Leser, ich brauche immer mehr Zeit, um mich für ein Buch aufzuraffen, und etwas zu begreifen, das hat vermutlich mit dem Älterwerden zu tun, ich langweile mich schneller, weswegen ich mein Leben verkompliziere, und dann wird alles so kompliziert, dass ich die Details vergesse, auch, was ich da gerade lese, ich vergesse ein Buch augenblicklich, sobald ich es ausgelesen habe, deswegen bin ich kein guter Leser.

 

Bin ich wirklich kein guter Leser, nur weil ich langsam lese, und das vergesse, was ich gelesen habe? Es steht nirgendwo, wo die Grenze zwischen gutem Leser und schlechtem verläuft, genauso was schlechte und was gute Literatur sein soll, weil zwar jeder meint diese Grenze ziehen zu können, aber immer dabei vergessen wird, was Literatur individuell auszulösen vermag, einig sind sich aber alle, dass es letztlich egal ist, was man liest, Hauptsache man liest, Unterscheidungen passieren einem, oder nicht, früher hab ich Westernhefte und Gruselromane gelesen, dann kamen Bukowski, Hamsun und Svevo, die aber keineswegs gesagt haben, wir sind was Besseres, sondern, bilde ich mir ein, mir leise zugeraunt haben: Wir sind miteinander verwandt, wir gehören zusammen.

 

Ich kann es nicht erklären, aber ich bin froh, dass ich Karl May, Asterix und Hermann Hesse ausgelassen habe, aber auch das ist ein Dünkel, den Dünkel, den ich ersetze durch die Gruselheftdünkel der anderen, offenbar bin auch ich nicht von diesen Grenzziehungen gefeit. Vielleicht hat das damit zu tun, das wir unsere Biotope abstecken müssen, um nicht komplett den Überblick zu verlieren, um uns nicht total zu verlieren, „das schmeckt nicht, das brauchst du gar nicht erst zu versuchen“ flüstert man sich selbst von einem Ohr ins andere, obwohl man es noch nie probiert hat.

 

In letzter Zeit hab ich begonnen zu schreiben, Schreiben ist wie Lesen, also eine Interpretationssache, und man kann so lange herumprobieren, bis es „sitzt“, natürlich wird es nie gut, die guten Bücher wurden alles schon geschrieben, siehe Bukowski, Hamsun und Svevo, aber zumindest kann man es versuchen, und auch wenn es schief geht, oder das, was man geschrieben hat, schief steht, kann man sich nicht vorwerfen, es nicht probiert zu haben.

 

Der September ist ein so genannter Übergangsmonat, in dem man Übergangskleider trägt, ich hab mich immer gefragt, ob es auch Übergangsbücher gibt, und, ja, die gibt es, und was das Interessante ist, diese Bücher hingegen lese ich schnell und konzentriert, so als sei ich selbst ein Übergangsmensch.

Gastblogger/in

Foto: Tex Rubinowitz/privat
Foto: privat

Tex Rubinowitz, geboren 1961 in Hannover, lebt seit 1984 in Wien, zeichnet für verschiedene Zeitungen Witze und schreibt Reisereportagen und Bücher, zuletzt "Die sieben Plurale von Rhabarber". Gewinner des Ingeborg-Bachmann-Preises 2014.

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