Cornelia Travnicek bloggt über Maifreuden

Cornelia Travnicek erzählt, warum gerade im Mai das Schriftstellerinnenleben so schön sein kann und was Veilchen-Spritzer und Nonnen damit zu tun haben.

Das Schriftstellerinnenleben kann so schön sein im Monat Mai – vor allem wenn die Temperaturen es endlich erlauben, mit Kolleginnen oder Kollegen zu Mittag im Schanigarten ein Clubsandwich zu teilen, oder man über angeregten Gesprächen bei Spaziergängen durch die Innenstadt die Eiswaffel in der Hand vergisst und die sich durch unerwartet schnelles Schmelzen wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit drängen muss.

 

Ich könnten Ihnen ein paar "Behind the scenes"-Szenen aus dem Literaturbetrieb in diesem Mai erzählen, weil sich ja nichts schöner und leichter erzählt als diese G’schichtln, und sie sich eben auch unterhaltsam lesen, während gleichzeitig bei den Lesenden der Eindruck entsteht, an etwas teilhaben zu dürfen, das weit hinter den Büchern existiert.

 

Zum Beispiel könnte ich Ihnen verraten, wie ich kürzlich mit der geschätzten Kollegin R. in einem der besagten begrünten Freiluftbereichen eines Wiener Bistros saß und übermütig einen Veilchen-Spritzer zum leichten Mittagessen orderte, was R. mir gleichtat, nur um sofort darauf, als wir die in großen Weingläsern servierten Getränke in der Hand hielten, festzustellen, dass sie derzeit aus gesundheitlichen Gründen gar keinen Alkohol trinken darf, und mir ihr Glas vermachte – was zur Folge hatte, dass ich schon um ein Uhr nachmittags dezent sommerspritzig angeschickert am Karmeliterplatz saß und hoffte, dass dieses leise Summen im Kopf bis zum nächsten Termin um fünfzehn Uhr wieder verschwunden sein würde.

 

Schriftstellerinnenleben, süßes.

 

Die Wahrheit aber ist, dass man, um sich eine solche kleine Auszeit leisten zu können, auch als Schriftstellerin ganz und gar unglamourös arbeiten, das heißt zum Beispiel schon um vier Uhr morgens aufstehen muss (obwohl man am Vortag von einer anderen Lesung erst um halb elf Uhr abends nach Hause gekommen ist), um schon kurz nach fünf Uhr morgens im Zug zu sitzen, auf dem Weg zu einer Lesung an einer Schule. In dieser Schule muss man dann vormittags in vier Stunden zwei Mal hintereinander die gleiche Lesung und ein beinahe identes Gespräch mit jeweils zwei bis drei Schulklassen hinter sich bringen – die eh alle wirklich nett sind, nur man selbst ist eben verdammt müde. Und schon nach einer kurzen Verschnaufpause soll man wieder die über vier Stunden dauernde Heimfahrt antreten und in einem vollen Zug freundlich bleiben, während einem der Sitznachbar auf den Laptop-Bildschirm starrt und die eigentlich streng geheimen, weil noch in Arbeit befindlichen, Texte mitliest, deren Abgabe-Deadline bedrohlich näher rückt.

 

Andererseits erlebt man bei solchen Schullesungen immer wieder Geschichten, die man dann später gut bei einem Spritzer den Kolleginnen erzählen kann. Wie zum Beispiel die von der Direktorin einer der von mir mit einer Lesung beglückten Schulen, eine Nonne, die mich mit den Worten begrüßte: "Ah, Frau Travnicek, herzlich willkommen! Man hat mir ja schon einige ihrer Bücher geschenkt, nur diese eine Anthologie, dieses How I fucked Jamal, das schenkt mir niemand." In dem Moment tat es mir wirklich leid, dass ich kein Exemplar dabei hatte, ich hätte es ihr wirklich gerne überlassen.

Gastblogger/in

Cornelia Travnicek (c) privat
Cornelia Travnicek (c) privat

Cornelia Travnicek wurde1987 geboren, studierte an der Universität Wien Sinologie und Informatik. Vielfach ausgezeichnet,  u. a. mit dem Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich für "Chucks" (DVA 2012). 2012 erhielt sie den Publikumspreis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt für einen Auszug aus ihrem im Herbst 2015 bei der DVA erscheinenden Roman "Junge Hunde". Weitere Werke: "mindestens einen der weißen wale", Lyrik (Berger 2015), "Fütter mich", Prosa (Skarabaeus 2009), "spannung spiel & schokolade" Fließtexte (Edition Thurnhof 2009), "Die Asche meiner Schwester", Erzählung (Literaturedition NÖ 2008), "Aurora Borealis", Prosa (edition Linz 2008) www.corneliatravnicek.com

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