Melanie Laibl bloggt: Sack voller Flöhe, Hummeln im Hintern

Über die Begegnungen mit dem jungen Publikum.

Kinder sind ein schwieriges Publikum. Sagt man. Noch nicht vollständig literarisch sozialisiert, mit der Institution „Lesung“ und ihren Regeln erst ansatzweise vertraut.

 

Stimmt: Ein junges Publikum hört nicht automatisch zu. Nicht in einem als „Mehrzweckraum“ getarnten Turnsaal (olfaktorisch fragwürdig, akustisch katastrophal). Nicht, wenn es ausnahmsweise auf Styroporkugerl-gefüllten Polstern fläzen oder auf Schreibtischsesseln rollen darf. Nicht am „Sicherheitstag“ der Schule, wenn die örtliche Feuerwehr mit ihrem Teleskopmast-Fahrzeug anrückt. Nicht vor oder nach einer Mathematik-Schularbeit. Und schon gar nicht, wenn die Banknachbarin einen neuen, hysterisch wippenden Einhorn-Haarreifen trägt. Auch das Geräusch von Birkenstock-Schlapfen auf Linoleum oder das Draußen-vor-dem-Fenster („Da fliegt ein Storch!“) können um Häuser aufregender sein, als das, was die Frau da vorne („Wer ist das eigentlich und was will sie von uns?) erzählt.

 

Aber: Wenn ein junges Publikum zuhört, dann richtig. Voll und ganz. Mit Haut und Haar. Egal, ob zwei oder zweihundert Kinder vor dir sitzen (oder rollen). Die Geschichte, die du ihnen erzählst, ist nicht mehr bloß eine Geschichte. Sie ist in diesem Moment so wahr und wahrhaftig, dass du bereit sein musst, jederzeit Rechenschaft abzulegen. Über heimlichste Eigenschaften und Vorlieben deiner literarischen Figuren und vermisste Details in den Illustrationen. Über die Tatsache, dass dein Buch unverzeihlicherweise ein Einzelband und kein Reihentitel ist (wobei Vorschläge für eine Fortsetzung gleich mitgeliefert werden: Geister, Vampire, Monster, Dinosaurier, Hexen und/oder Feen, Tiere sowieso). Und letztlich über den Grad deiner Berühmtheit, dein astronomisches Einkommen, dein Alter (immer!) und die Frage, ob du die Geschichte selbst geschrieben hast, oder ob nicht vielleicht doch eine Ghostwriterin am Werk war.

 

Kinder sind ein spannendes Publikum. Sage ich. Weil sie lustig sind, ideenreich, spontan, mutig, detailverliebt, begeisterungsfähig, aufmerksam, oft verblüffend respektlos und schonungslos ehrlich. Und ja, anspruchsvoll. Um dir folgen zu können und zu wollen, verlangen sie deinen ganzen Einsatz und verzeihen keine Halbherzigkeiten. Dafür erzählen sie dir mehr über deine Geschichte, als du selbst jemals in ihr sehen könntest.

 

„Habt ihr auch solchen Spaß gehabt?“ – „Nein ... haha ... natürlich!“

Gastblogger/in

© VARENA
© VARENA

 

Melanie Laibl schreibt und liest für Kinder ab drei Jahren. Ihre bislang ausgedehnteste Tour im Rahmen der LESERstimmen 2019 führte sie zwischen Mitte März und Ende Mai  österreichweit in mehr als zwanzig Bibliotheken, Klassenzimmer und Mehrzweckräume. Allzu langweilig dürften ihre Lesungen nicht gewesen sein: Ihr Kinderroman „Verkühl dich täglich“ (erschienen 2017 im Münchner Mixtvision Verlag) wurde vom jungen Publikum mit dem LESERstimmen-Preis 2019 ausgezeichnet.

 

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